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Zur Vorgeschichte des Lanolins
von Prof. DR. TH. HUSEMANN in Göttingen.


    Wie selbst nach 1800 Jahren medicinische Autoren in das Getriebe der Welt direct eingreifen und nicht bloss Aerzte und Apotheker, sondern auch Actiengesellschaften und Gerichte zwingen, sich näher mit ihnen zu befassen, zeigt das Auftreten des ältesten Griechischen Pharmakologen, der uns erhalten ist, des Dioskorides, als Zeuge und Sachverständiger in mehreren vor deutschen und englischen Gerichtshöfen verhandelten Processen.

Der alte Grieche sollte darüber aussagen, ob schon zur Zeit der ersten Römischen Caesaren dasselbe gedacht und gemacht sei, was man als eine nicht unbedeutende wissenschaftliche Erfindung in letzten Viertel des 19. Jahrhunderts betrachtet und als etwas Neues, dem Spruche des Rabbi ben Akiba nicht Unterworfenes, bisher nicht Dagewesenes durch Ertheilung eines Patents gekennzeichnet hat.

Das Zeugniss wurde verlangt in Bezug auf dieses Patent, das sogenannte Lanolinpatent, indem die von der die Liebreich`sche Entdeckung fabrikmässig ausnutzenden Firma gegen verschiedene Verletzer des Patents eingeleiteten Processe seitens der Beklagten Einwendungen hervorriefen, die sich auf die Behauptung stützten, dass die Darstellung des Lanolins überhaupt keine neue Erfindung sei, sondern nur gewissermassen eine Reinschrift von Brouillons, die sich bereits bei Dioskorides und gleichzeitig auch in der Naturgeschichte des Plinius finden.

Ueber die Frage, ob das Lanolin identisch sei mit dem von Dioskorides als Oesypus beschriebenen Producte, haben deutsche und englische Gerichtshöfe in ganz gleicher Weise entschieden. Schön und richtig lässt sich darüber das am 16. December 1893 gefällte Urtheil des Richter Romer in der Klage der Firma Benno Jaffé und der Darmstaedter Lanolinfabrik gegen John Richardson & Co. in Leicester aus, welche wesentlich nach dem Lanolinpatente bereitetes Lanolin unter dem Namen Anaspalin in den Handel gebracht hatten. Die darauf bezügliche Stelle lasse ich hier in deutscher Uebersetzung folgen:

"Es steht fest, dass die Griechen wussten und Dioskorides angegeben hat, dass aus Schafwolle in heisses Wasser etwas von dessen Fett übergeht und aus dem Felle mittels Auswaschen mit heissem Wasser eine als Oesypus bezeichnete Substanz zu erhalten ist". Aber so weit sich der Process aus den bekannten Angaben des Dioskorides oder aus den Abhandlungen von Personen-, die mit seinen Schriften oder mit besagtem Oesypus bekannt sind, feststellen lässt, ist es klar, dass sich Lanolin nicht damit herstellen lässt und dass keineswegs irgend einer, der mit einem derartigen Processe, wie ihn Dioskorides beschreibt, bekannt ist, notwendig zu der Entdeckung des Lanolins geführt werden muss.

Abgesehen von anderen Gründen, so ist nicht ein Wort in der Beschreibung des Processes gesagt, dass ein Alkali gebraucht worden sei, ohne dessen Anwendung Lanolin sich nicht herstellen lässt. Waschen in Wasser, wenn oft genug wiederholt, entfernt einige der in Wasser leicht löslichen Fettsäuren, aber nicht alle, da einzelne Fettsäuren sich nicht in Wasser lösen.

Und in der That finde ich nach der Beschreibung des Oesypus, wie sie in den von dem Beklagten vorgelegten Büchern gegeben sind, dass es nicht die Eigenschaften des Lanolins gehabt hat. Dazu kommt, dass Oesypus praktisch viele Jahre vor der Ertheilung des Patents unbekannt gewesen ist, und niemand weiss in Wirklichkeit, wann es überhaupt zuletzt in Anwendung gebracht wurde. In einer Pharmacopoe fand es zuletzt 1720 Erwähnung. Sicher abstrahirte man davon, weil es practisch nicht brauchbar war.

Einige Sachverständige der Beklagten sagen allerdings, dass sie nach den Weisungen von Dioskorides eine mehr oder weniger befriedigende Salbe gewonnen haben, dagegen erklärt   P r o f e s s o r  A t t f e l d,  dass er nur allmählich erkannt habe, wie Dioskrides' Process auszuführen sei, und dies erst mit Hilfe von drei bis vier Experimenten, woraus man wohl schliessen kann, was weniger geschickten und geübten Personen geschehen wird, Wenn sie bloss nach den Angaben von Dioskorides ein Product wie Lanolin darstellen wollen. Was ich in Bezug auf diesen Theil des Falles sagen muss, ist, dass, wenn jemand einen brauchbaren Artikel bloss durch Befolgung von Dioskorides' Vorschrift machen kann, er dazu ungeachtet des Patents Freiheit und Recht hat; aber ich zweifle daran, dass er es fertig bringt, und bestimmt kann nicht gesagt werden, d a s s  j e n e   V o r s c h r i f t e n  d e m  P a t e n t e  v o r g r e i f e n  (that those directions are an antecipation of this patent)  o d e r   d ie  E r f i n d e r   i h r e r   E r f i n d u n g   b e r a u b e n  o d e r   d e n  G e r i c h t s h o f  v e r h i n d e r n,  a u s z u s p r e c h e n,  d a s s   d i e  E r f i n d u n g   n e u  i s t   u n d  g u t e s  M a t e r i a l   z u r  E r t h e i l u n g  e i n e s   P a t e n t s  b i l d e t   u n d  v o n   b e d e u t e n d e m  W e r t h e   e r s c h e i n t."

Von den verschiedenen Urtheilen, die das Reichsgericht in Leipzig bezüglich der Aufrechterhaltung des Patents zu fällen in der Lage war, mögen hier nur ein Paar Sätze aus dem zuletzt erlassenen Platz finden, in welchem das Gericht die vom Rechtsanwalt Lindemann in Hannover, von der Actiengesellschaft Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei in Delmenhorst, der Handlung Gebrüder Noeggerath in Hannover, des Chemikers Dr. Adolf Mente zu Bremen, des Seifenfabrikanten C. H. Oehmig-Weidlich zu Zeitz und der offenen Handelsgesellschaft Grossmann und Cie. in Düsseldorf gegen das abweisende Urtheil des Kaiserlichen Patentamts vom 18 October 1894 eingelegte Berufung verwirft. In den Entscheidungsgründen des vom Ersten Civilsenat des Reichsgerichts vom 19 Juli 1895 gesprochenen Urtheils heisst es :

"Unbegründet erscheinen die gegen die Neuheit des Verfahrens gerichteten Ausführungen der Kläger. Das angefochtene Patent ist ein Kombinationspatent. Das beschriebene Verfahren zerfällt in zwei Hauptabschnitte : das Reinigungsverfahren und das Einkneten von Wasser in das gereinigte Wollfett. Das Reinigungsverfahren besteht wiederum in mehreren Operationen, unter denen namentlich die Behandlung der Ausgangsstoffe in der Centrifuge hervortritt.

Dass dieses Verfahren als Gesammtanordnung der Neuheit entbehre, haben die Kläger nicht darzuthun vermocht. Was insbesondere das Recept des Dioskorides angeht, welches auch in anderen griechischen und römischen Schrifstellern und in älteren Pharmacopöen mitgetheilt wird, so vermag dasselbe vielleicht dem Erfinder als Anreger gedient zu haben, es bestehen aber so erhebliche Verschiedenheiten zwischen den Anordnungen der Patentschrift und der Anweisung des Dioskorides, dass in den Druckschriften, durch welche letztere überliefert wird, eine die Neuheit des patentirten Verfahrens ausschliessende Veröffentlichung nicht gefunden worden kann."

Zu derselben Anschauung wie der englische Richter und der erste Civilsenat des deutschen Reichsgerichts, deren Aussprüche in Acten entnommen habe, die mir von Herrn Dr. Darmstädter bei der Gelegenheit der Ausarbeitung zweier pharmacologisch-chemischer Gutachten über die aufgeworfene Frage, ob das in den letzten Jahren von der obengenannten Actiengesellschaft in Delmenhorst in den Handel gebrachte, als Adeps lanae bezeichnete Product gereinigtes Wollfett und die durch Verreiben mit Wasser daraus entstehenden Salben, Kühlsalben und Crêmes Lanolin im Sinne des Reichspatents seien, vorgelegt wurden, bin ich auch durch eingehendere Studien des Dioskoridischen Oesypum gelangt. In No. 11 der Göttinger Gelehrten Anzeigen von 1894 S. 880 habe ich bei Gelegenheit einer Besprechung der Huber-Lüneburg'schen Uebersetzung des Soranus das nach der Anweisung des Dioskorides aus der Schafwolle dargestellte Product zwar als einen Vorläufer des Lanolins, aber von diesem so verschieden "wie eine Ballista der Alten von einer Krupp'schen Kanone" bezeichnet. Ich halte auch heute noch diesen Vergleich aufrecht, denn Lanolin ist eine als Salbenconstituens vortrefflich geeignete Emulsion von reinem Wollfett d. h. von Cholesterin und Isocholesterinestern, des Dioskorides Schafwollfett dagegen ein von Verunreinigungen nur unvollkommen befreites, flüchtige Fettsäuren neben Cholesterin- und Isocholesterinverbindungen enthaltendes, somit höchstens halbreines Wollfett, das den Anforderungen der Reinlichkeit, welche die Gegenwart an die Basis einer Salbe stellt, in keiner Weise Genüge leistet.

Dass die Vorschrift des Dioskorides Liebreich als "Anreger" zur Erfindung des Lanolins gedient habe, wie das oben besprochene Reichsgerichtserkenntniss als möglich betont, ist nicht sehr wahrscheinlich. Seine erste Publication in der Berliner klinischen Wochenschrift vom 23 Nov. 1885 deutet viel wahrscheinlicher auf die Untersuchungen von Fr. Hartmann und E. Schulze über die Cholesterinester der Schafwolle als den Ausgangspunkt und das Anregungsmittel zu den Liebreich`schen Versuchen hin. Jedenfalls hat aber der Entdecker des Lanolins von dem Oesypum des Dioskorides frühzeitig Kenntniss besessen, und er selbst ist es gewesen, der die längst vergessene Kunde vom Oesypum auf einem Meeting der British Medical Association wieder auffrischte. In seinem im British Medical Journal vom 23 October 1896 veröffentlichten Vortrage gibt er an, dass das ungereinigte Wollfett lange Zeit den ackerbauenden und viehzüchtenden Völkern bekannt gewesen und dass deren alte Bezeichnung Oesypus sei. "Ich werde Ihnen einfach erzählen, dass Oesypus schon in der Zeit Herodots gebraucht wurde. Dioskorides beschreibt die Bereitung das Oesypus aus Wolle, und seine Beschreibung wird reproducirt in den meisten Pharmakopöen bis zum 18. Jahrhundert."

Dies und einige kurze Notizen über die Verwendung von Oesypum als Cosmeticum in den Zeiten Ovids und über eine Stelle aus dem bekannten Gedichte des Hierouymus Eracastorius über die Syphilis, worin Einreibungen mit Oesypum und Oleum mastichinum bei Gliederschmerzen empfohlen werden, sind das Erste, was von geschichtlichen Thatsachen aus der Vorgeschichte des Lanolins veröffentlicht worden ist. Etwa ein Jahr später hat N. W u l t s b e r g (Christiania) im Märzheft 1887 der Therapeutischen Monatshefte S. 92 "geschichtliche Notizen über Oesypum" veröffentlicht, in denen das auf das Wollfett der Griechen und Römer bezügliche Capitel des Dioskorides wörtlich übersetzt ist, und worin er die bei Celsus unter Zusatz von Oesypum bereiteten Salben und Pflaster aufzählt. Einiges aus Plinius und Galen vorbringt und schliesslich noch einige Pharmakopöen und Arzneimittellehren des 17. und 18. Jahrhunderts, die das Oesypum besprechen, namhaft macht.

Eine etwas ausführlichere historische Ababhandlung zur Geschichte oder richtiger zur Vorgeschichte des Lanolins hat  G. V  u  l  p  i u  s (Heidelberg) im 11 Hefte von Bd. 126 des Archivs der Pharmacie (Mai 1888) publiciert. Diese gibt die auf Oesypum bezügliche Hauptstelle aus Plinius, die Uebersetzung eines Capitels aus Matthiolus' Commentar zum Dioskorides und des Abschnittes Oesipum aus dem Dispensarium Coloniense von 1566, den Abschnitt darüber aus der bekannten Pharmacopoe von Schroeder und schliesslich wieder die Uebersetzung des Oesypus der Pharmacopoea Augustana von 1694.

Obschon Vulpius' Arbeit einige wesentliche Ergänzungen zu Liebreichs und Wulfsbergs Notizen, besonders ist Bezug auf das 16 und 17 Jahrhundert bietet, kann auch sie nicht als eine ausreichende Vorgeschichte des Lanolins betrachtet werden, da sie wie jene Autoren die spätrömische und spätgriechische Zeit und das ganze Mittelalter völlig unbeachtet lässt, und wenn sie auch angibt, "über Oesypum aus dem Inhalte mehrerer erst jüngst der Vergessenheit entrissenen Werke und Documente Thatsachen anzuführen", so ist doch ausser dem allerdings selten gewordenen Kölner Dispensarium von 1666 kein Buch benutzt, das nicht auf jeder Universitätsbibliothek von Deutschland zu haben wäre. Es sind nur Bausteine zu einer Vorgeschichte des Lanolins, verhältnismässig wenige, und noch dazu fehlt der nöthige Mörtel, um das Ganze zusammezuhalten, so dass es befähigt werde, einen Thurm von wichtigen Schlussfolgerungen zu tragen, während es so nur eine Stütze für ein schwaches Rohr- und Schilfgeflecht von Vermutungen zu bilden vermag, das einem kritischen Sturmwinde Widerstand zu leisten nicht vermag. Einige Notizen über Oesypum, die sich theils in  B. F  i  s  c  h  e r  s neueren Arzneimitteln, theils in einem Feuilletonartikel, den  R.  P  e t  e  r  s   über moderne Mittel im Fränkischen Courier publicirte, theils endlich beiläufig in dem Abschnitte über Wundmittel in der Arbeit 16. v.   G  r  o  t  e  's  über die Pharmakologie in der Hippokratischen Schriftensammlung (Koberts Dorpater hist. Studien 1889. I) finden, sind nicht ausreichend, diesem Mangel abzuhelfen. Es ist meine Absicht, durch Herbeischaffung von Thatsachen aus der Spätperiode des Alterthums und aus dem Mittelalter (in den bisherigen Veröffentlichungen ist das ganze Mittelalter unberücksichtigt geblieben, da der dahin gezählte Eracastori schon als neunjähriger Knabe die Entdeckung von America erlebte und sein Lehrgedicht über Syphilis erst 13 Jahre nach der Lutherschen Reformation erschien), die Verbindung zwischen den aus Bausteinen des Alterthums und des 16-18 Jahrhunderts errichteten Theilen zu repariren und das Ganze mit einem bisher seitwärts liegen gebliebenen Schlusssteine zu krönen.


O E S Y P U M   U N D   H Y S S O P U S.

Nur eben gestreift wird in den bisherigen historischen Arbeiten über das Wollfett der Alten die in sprachlicher Beziehung ungemein interessante Frage über dessen Benennung. Etwas darüber hat der oben ernannte englische Patentprocess zu Tage gefördert, indem sich unmittelbar danach zwischen H e b b e l e r und I n c e in dem Pharmaceutical Journal eine kurze Polemik erhob, ob man Oesypus oder Oesypum zu sagen habe. Damit ist aber nur ein Theil der Frage angedeutet, allerdings der für die Praxis und für die Gegenwart wichtigste ; dass aber der Namen sprachlich weit interessantere Gesichtspunkte bietet, habe ich in meiner Kritik über Huber's Soranus angedeutet. Diese Andeutungen werde ich hier weiter auszuführen mir gestatten.

Der Frage, ob Oesypus oder Oesypum richtiger sei, habe ich eine besondere practische Wichtigkeit deshalb vindicirt, weil es meines Erachtens nur eine Frage der Zeit ist, dass das gereinigte wasserfreie Wollfett, dem jetzt gewöhnlich die von Liebreich eingeführte Benennung "Lanolinum anhydricum" gegeben wird, in die Pharmncopöen der Culturstaaten Aufnahme findet und dann die Frage sich aufwerfen wird, welchen Namen man diesem Producte geben soll. Dass die Benennung Lanolinum anhyrdricum manchen Bedenken unterliegt, kann nicht geleugnet werden. Man ist versucht, aus diesem Namen zu schliessen, dass dieses Product aus dem Lanolin durch Wasserentziehung dargestellt werde, während in Wirklichkeit das Lanolin eine Emulsion aus dem reinen Wollfett ist. Es würde aber Niemand einfallen, Zucker als anhydrisches Zuckerwasser zu bezeichnen. Ausserdem wird die Bezeichnung anhydrisch in der Regel auf chemische Verhältnisse bezogen, und bei der Lanolinbereinigung handelt es auch nicht um chemische, sondern um rein-mechanische Processe (Emulsion). Man wird von der Bezeichnung aber um so lieber absehen wollen, als ein mit Lanolinum anhydricum wesentliche Uebereinstimmung, aber einen etwas niedrigeren Schmelzpunkt darbietendes und mittelst einer anderen Abscheidungsmethode gewonnenes gereinigtes Wollfett unter den Namen "Adeps lanae" im Handel ist, und man bei Entwerfung von Pharmakopöen nicht gern die Benennungen bestimmter Fabriken benutzt. Man wird daher wohl sich entschliessen, auf den Namen zurückzugreifen, den das Wollfett der Alten führte, vielleicht mit dem Zusatze "purus oder depuratus," um den höheren Grad der Reinheit des modernen Praeparates anzudeuten.

In dem Streite zwischen Hebbeler und Ince, von welchen Ersterer die auch von Wulfsberg gebrauchte Form Oesypum, Ince die auch in der Arbeit Liebreichs benutzte masculinische Form vorzieht, muss ich mich auf Seite Hebbelers stellen. Ince will Oesypus geschrieben wissen, weil das die ursprüngliche griechische Bezeichnung sei. Unsere für Recepte bestimmten Benennungen officineller Drogen nehmen wir aber nicht aus dem Griechischen, sondern aus dem Lateinischen, wir sagen z. B. sinapis und nicht sinapi, obschon das griechische Wort mitunter als indeclinables Neutrum im Lateinischen vorkommt, Ceratum und nicht Cerotes u. s. w.

Für das fragliche Wort gibt es aber im klassischen Latein, wenn man von der unten weiter zu besprechenden corrumpirten Form Hyssopus absieht, keine andere Form wie "Oesypum." Hebbeler bezieht sich in seiner Auslassung besonders, und mit Recht auf Plinius Naturgeschichte, in welcher allerdings an mancher Stelle über das Geschlecht des Wortes kein Zweifel herrschen kann, z. B. in der ausführlichen Beschreibung (lib. 29 c. 27) : "Oesypum fit pluribus modis, sed probatissinium" "Oculis utilissimum contra iflamationes" und auch da wo Plinius das Ladanum für von den Bärten und Knieen der Ziegen abgekratzten Wollschmutz erklärt : "et esse Oesypum hircorum barbis membrisque villosis inhaerens." Ein anderer für Oesypum nicht unwichtiger Classiker, welchen schon Liebreich anführt, der den Nachweis liefert, dass das Wollfett im Alterthume stark als Cosmeticum benutzt wurde, ist Ovid. In seiner Ars amandi gebraucht er zwar nicht den Singularis "oesypum," aber den dazu gehörigen Pluralis "oesypa" (möglicherweise als plurale tantum) :

    "Oesypa quid redolent, quamvis mittantur Athenis,
    Demptus ab immundae vellere succus ovis."
Ebenso in dem Remedia amoris :
    "Pyxides invenies et rerum mille colores.
    Et fluere in tepidas oesypa lapsa sinus."

Ein Masculinum Oesypus kommt bei keinem römischen Autor vor. Im Griechischen haben wir allerdings die Form oisupos, aber keineswegs immer als Masculinum. Den Beweis dafür liefert namentlich das dem Hippokrates zugeschriebene, aber der knidischen Schule angehörige Buch de morbis mulierum, wo sich der Pluralis oisuph als Accusativ und Neutrum findet : h to legomenon oisuph xhra koyai kai foxai. Während hier das auf einen Sing. neutr. oisupos hinweisende Neutr. plur. nicht zu verkennen ist, wird auch oisuph als Femm. bezeugt, und zwar seltsamer Weise in dem Lexicon des Erotianus zu Hippocrates (Ed. 1564 p. 38), unzweifelhaft grade im Hinblicke auf die citirte Stelle, denn es handelt sich um den Schmutz der Ziegen, das obenerwähnte Ladanum, nicht um das Wollfett. Daneben erwähnt Erotianos aber allerdings auch der gebräuchlicheren Form im Genitiv (ths oisuphs h oisupou ekatervs gar legetai.) Eine zusammengezogene Form oisph aigos findet sich in einem dem Galen zugeschriebenen Lexicon zu Hippokrates. Bei Dioskorides kommt dagegen nur das Masculinum oisupos, pou vor, bei Galen neben dem Maskulinum auch oisupos als Femininum, und zwar unmittelbar neben dem Masculinum (ei de mh touto ( sc . erion apluton die ungewaschene Wolle) alla thn oisupon ekeinou epemballein tv micqenti. oti ameiuvn o Atticos oisupos apantos allou, ginvkeis) im 14. Buche der Methodus medendi (Ed. Kühn, X, 968 1). Auch Oribasios hat oisupos als Masculinum. Ein Neutrum oisupon , auf welches vom verschiedenen Lexicographen, z. B. von Gorraeus hingewiesen wird und das auch H u b er in der Aufzählung der Drogen der S o r a n u s benutzt, ist von mir in keinem griechischen Autor aufgefunden worden. Dagegen kommen verschiedene Veränderungen des Wortes vor. Eine davon, welche beweist, dass das s in oisupos scharf ausgesprochen wurde, ist Verdopplung desselben zu oissupos , wie sie sich in einem Codex des Oribasius und in Aëtius, Tetrabibl. (lib. II serm. 4. 563) findet. Bei dem letztgenannten Autor heisst es schon in der Ueberschrift rupos probatvn exou o oissupos Schmutz der Schafe, woraus Oesypus bereitet wird. Häufiger ist dann die ebenfalls mit Verdopplung des s. einhergehende, aber intensivere Alteration darbietende Form ussvpos , die sich an einer anderen Stelle, des Aëtius (lib. II serm. 5 c. 563), bei Paulus von Aegina und Nicolaus Myrepsus findet. (Bei Aëtius lassen sich die meister Stellen über oisupos nicht vergleichen, weil der griechische Text noch nicht völlig edirt ist. Griechisch, sind nur das 4-8 und das 10-12 Buch erschienen. Die Hauptsachen über Wollfett finden sich aber im 16 Buche, wovon nur lateinische Uebersetzungen puplicirt sind. Diese Verwandlung von oisupos in den Namen eines Gewächses, das man schon in alten Zeiten medicinisch verwendete, frappirt auf den ersten Blick, weil man auch bei angestrengtem Nachdenken keine sachlichen Beziehungen von Isop und Wollschweiss finden kann. Die sehr einfache Erklärung dafür gibt, wie ich schon in meiner Recension des Huber'schen Soranus andeutete, der Itacismus, für welchen beiläufig bemerkt von medicinischen Wörtern auch der im Mittelalter in Isofagus vielfach verwandelte Oesophagus ein verwertbares Beispiel abgibt. Es ist jetzt keinem Philologen mehr zweifelhaft, dass die Alten verschiedene Diphthongen und insbesondere das é wie é aussprachen. Man würde dann unter Berücksichtigung der Schärfe des s zunächst zu issopos und issvpos gelangen, und diese Formen und noch eine dritte issoupos lassen sich wirklich nachweisen. Sie finden sich bei Soranus von Ephesos neben issvpos und entsprechen dem lateinischen isopus, das sich als Bezeichnung des Wollfettes in den mittelalterlichen Übersetzungen arabischer Schriftsteller, z. B. in der Uebersetzung der Simplicia des jüngeren S e r a p i o n von S i m o n J a n u e n s i s (1473) häufig genug findet. Der Uebergang des é in u und umgekehrt wie bei biblos und bublos kann ebenso wenig etwas auffälliges haben wie die Verwandlung des Spiritus lenis in einen Spiritus asper, für die sich Beispiele genug aus der Naturgeschichte z. B. irax und ierax geben liessen.

Die späteren Griechen haben bestimmt durchgängig Hyssopos gesprochen und geschrieben. Wenn es sich in den Ausgaben nicht findet, sondern oisupos , so ist das auf die Herausgeber, in erster Linie auf die Humanisten zurückzuführen, denen sich dann später die Philologen allgemein angeschlossen haben. Indem man das Wort oisupos gewiss mit vollem Rechte mit ois; (ovis) zusammen brachte und es als oios rupos , Schmutz der Schafe, was auf eine masculine Form führen würde, oder als oios lipos Schaffett, was zu der Neutrumform passte, auffasste, hielt man an den Ansicht fest, dass ussopos eine in der Barbarei des Mittelalters entstandene Form sei, die überall beseitigt werden müsse, und setzte da, wo das Wort sich als Bezeichnung für Wollfett fand, den oisupos des Dioskorides. Mitunter kommt es dann freilich vor, dass ussvpos für Wollfett stehen bleibt, wie in einem Pessariumrecepte in den beiden Ausgaben des Soranus von Ermerins (1859) und V. R o s e (1882), wo sich ussvpos mitten zwischen Butter, Gänse- und Hühnerfett als unverkennbares Fett der Schafwolle dem aufmerksamen Pharmakologen auf den ersten Blick geltend macht (vgl. Gött. Gel. Ang. 1894. No. 4).

Von den humanistischen Aerzten des 16.Jahrhunderts ist dann auch das bis dahin nicht übliche lateinische Masculinum Oesypus erfunden, und da die Humanisten ja an der Uebersetzung griechischer ärztlicher Werke und an der Herstellung von Arzneibüchern in 16. Jahrhundert sehr w e s e n t l i c h betheiligt sind, findet sie sich in solchem allgemein verbreitet.

Die Annahme, dass die Form Hyssopus erst in der Spätperiode des Alterthums aufgetreten sei, trifft für die lateinischen Schriftsteller nicht zu. Wenn wir oisupo s noch bei Oribasius, ussvpos aber erst in der zweiten Hälfte des 4 Jahrhunderts finden, so hatte doch Hyssopus bestimmt schon im ersten Jahrhundert n. Chr. in Rom Eingang gefunden. Ich muss hier zuerst betonen, dass das Oesypum, welches wir bei Celsus in den neueren Auflagen finden, erst seit 1566 das in den Codices und in den älteren Editionen befindliche "hyssopum" verdrängt haben. Hyssopus findet sich zuerst in der Leydener Ausgabe von Constantinus. In den Codices steht das Neutrum Hyssopum :
"hyssopum recens miscendum cum cerato liquido ex rosis facto." Hier ist allerdings der Einwand möglich, die Abschreiber hätten die mit dem Bann belegte Form willkürlich hineingebracht. Aber dies trifft nicht zu für Plinius, der neben Oesypum an einzelnen Stellen besonders in Vorschriften für Arzneiverordnungen, wo absolut nicht an den Isop gedacht werden kann, hyssopus setzt. Am beweiskräftigsten ist eine Stelle in Lib. XII c. 5, wo weisser Taubenmist "in hyssopo aut mulso´ (d. i. Hydromel) gekocht als Mittel bei Vergiftung durch giftige Pilze empfohlen wird. Ebenso findet sich hyssopus offenbar als Bezeichnung für Wollfett in verschiedenen Pflastern und Salben bei dem unter den Kaisern Tiberius und Claudius als Schriftsteller thätigen Scribonius Largus Designatianus (De compos. medicamentorum ed. Ruellio, Basel 1529), z. B. in c. 262 und 270.

Die durch den Itacismus entstandenen Wortformen sind dann in den mittelalterlichen medicinischen Schriften die allein gebräuchlichen geworden. Sie kommen theils ohne Verdoppelung des s und ohne Aspiration als Isopus oder Ysopus, theils als Hyssopus, und dann meist als Feminimum, besonders mit dem Zusatze humida, oder als Hyssopum vor. Es ist bei manchen diese Formen gebrauchenden Autoren ersichtlich, dass ihnen weder die griechische Bezeichnung issvpos noch die lateinische oesypum jemals zu Gesichte gekommen. Um nur einige Beispiele zu citiren, erwähne ich, das in dem bekannten Vocabularium A l f i t a (Collectio Salernit. III. 325) sich der Isop als isopus : "est herba tumidis pulmonibus Apta" und das Wollfett als "Ysopum vel ysopus humida cerotum, est succus lanae per decoetionem extractus" findet.

M a t h a e u s S y l v a t i c u s, der bekannte medicinische Lexicograph aus dem Ende des 13. und dem Anfange des 14. Jahrhunderts, handelt das Wollfett unter dem entstellten arabischen Namen Cenferatab mit dem Beisatze : lat. Ysopum humidum ab. J o h a n n v o n S t. A m a n d behandelt es in seinen neuerdings von Pagel herausgegebenen Areolae bald als Isopus, bald als Ysopus, aber auch als Isopus oder Ysopus humida, mit dem Zusatze i. e. sordities aggregata super lanam im Gegensatze zu Isopus sicca (Isop.) S t. F l o u r (Pagels neue literarische Beiträge zur mittelalterlichen Medicin. Berlin 1896 pag. 119) hat einen Artikel Ysopus nach Avicenna. In allen mittelalterlichen Uebersetzungen arabischer Autoren, die des Wollfetts gedenken, wird man die phonetisch corrumpirten Formen von oisupos niemals vermissen. Es wäre das allerdings auch seltsam, denn die arabische Benennung des Wollfetts ist, wie auf den ersten Blick jeden frappiren muss, der Name des Isops. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Hellenische Bezeichnung usswpos für die aromatische Labiate, deren Büschel die Hebräer sich zu den heiligen Besprengungen bedienten, mag dies nun Origanum aegyptiacum (Mojorana aegyptiaca Kostel.) oder eine andere Pflanze sein, von dem im syrischen und arabischen sehr gebräuchlichen Worte zûf abstammt. Das dem semitischen Sprachschatz entlehnte Wort gaben die Griechen den Arabern in der Bedeutung Wollfett wieder, und diese übernahmen es als Zûfâ wieder, obschon sie für Wollschweiß schon ein andres Wort wadsah, das sie beiläufig bemerkt auch für den pathologischen Vorgang des Intertrigo femorum beim Menschen gebrauchen, lassen. Bei vielen arabischen Schriftstellern wird die Isopflanze gemeinsam mit dem Wollfett so abgehandelt, als wenn die beiden heterogenen Dinge von Anfang an zusammengehört hätten. Wollfett und Isop sind z. B. bei E b n B a i t h a r beide zûfâ und werden nur durch Beifügung eines Adjectivum von einander unterschieden ; das aromatische Kraut ist trocknes zûfâ. zûfâ jabis, das Wollfett ist feuchtes zûfâ: zûfâ rathaba. Diese letztere Bezeichnung ist so gebräuchlich geworden, dass Ebn Beithar, nachdem er dem Isop und Wollfette ein gemeinsames Capitel gewidmet, in dem Artikel wadsah einfach auf zûfâ verweist. Auch bei Avicenna bilden zûfâ rathab und zûfâ jabis gemeinsam den Gegenstand eines Kapitels, doch macht er aus dem zûfâ ratab S c h a f m i s t . Es heisst bei ihm: "Was ist zûfâ ratab ?" Es ist der Koth, der sich auf der Wolle der Schafe in Armenien sammelt, und er fällt auf das Kraut der Wolfsmilcharten und nimmt deren Kraft und Saft an, und wahrscheinlich ist er flüssig, und darum wird es dort gekocht und zubereitet (eingedickt)." An Avicenna schliesst sich der neuerdings auf K o b e r t s Betrieb von Achundow herausgegebene persische Arzt Muwaffak, bei dem es im Kapitel zûfâ heist: "Man unterscheidet zwei Arten zûfâ, das trockene und feuchte; das trockene ist eine Pflanzenart, das feuchte ist die Wolle, die an dem After der Schafe in Armenien hängt." Wir haben also eigentlich drei verschiedene Bedeutungen, die das Wort zûfâ ratab hat, das Oesypum, der Schafmist, und die schmutzige Schafwolle, aus der das Oesypum gemacht wird. Die Auffassung als Oesipum ist aber die verbreitetste, der von Muwaffak liegt vieleicht wieder eine phonetische Verwechslung zu Grunde. Denn der arabische Name für Wolle klingt des Isops ausserordnetlich ähnlich: sûf und sûf ratab wurde für den Ausdruck Lana succida, der für die Wolle, aus der man das Oesypum macht, von Plinius und Muscio (ed. Rose p. 57 v. 6 u.7) verwendet wird, wohl entsprechen, da ratab nicht bloss feucht oder frisch, sondern wie das entsprechende hebräische Wort auch saftig bedeutet. Die Auffassung Muwaffaks harmonirt einigermassen mit der Ansicht einzelner medicinischer Lexicographen, wonach Oesypum ursprünglich vom Wollfett imprägnirte saftige oder schmutzige Wolle darstelle. Ich finde für diese Auffassung in den griechischen Autoren keine Belege. Solche ungereinigte Wolle spielt in der alten Medicin als Arzneimittel allerdings eine gewisse Rolle, aber wir finden sie nirgends als oisipo s, sondern als ungewaschene Wolle, erion apluton (Galen, Method. Med. lib. XIV c.7 Edit. Kühn X 965) oder schmutzige Wolle ( eria rupara , Dioskor.Mat. med. II c.82). Nach Hippokrates und Galen (ed. Kühn XVIII 697) führt diese den Namen oisuphra , und zwar wegen des in ihr enthaltenen oisupo s, der vielfach in Gegensatz dazu gesetzt wird, z.B. bei Dioskorides II c. 82: Die schmutzige Wolle saugt leicht Flüssigkeit auf und wirkt erweichend durch den Oesypus ( dektika gar esti ton embregmatwn kai malaktika dia ton oisupon) oder bei Galen, der bei Hautemphysem die ungewaschene Wolle, welche man oisuphron nennt und wenn man diese nicht hat, den oisupon ekeinou empfiehlt. Aus Soranus (II24. Ed: Rose) unterscheidet oisuphrvn eriwn apobregma d.i. wahrscheinlich die mit Essig und Oel getränkte Schmutzwolle, entsprechend der Angabe bei Disokorides II c. 82: brecomena oxei kai elaiv h oinv wohl von einander. Ebenso wird von Paulus von Aegina in seinem später ausführlich mitzutheilenden Capitel über Oesypusbereitung dieser und die schmutzige Wolle wohl auseinandergehalten. Dass mittelalterliche Schriftsteller schmutzigee Wolle und Wollfett manchmal verwechseln, kann allerdings nicht in Abrede gestellt werden, wie sie ja auch den feuchten und trockenen Isop nicht aus einander halten. Ich will nur ein Beispiel aus Johann St. Amand anführen, der in der Regel Isopus ohne weiteren Zusatz als Wollfett auffast, aber p. 36 von einer mit Essig und Oxymel gegen Zahnschmerzen empfohlenen Isop-Abkochung redet, die nicht das Apobregma bei Soranus,sondern eine Abkochung des Krautes ist, das nach Dioskorides (III c. 27) mit Essig gekocht Zahnschmerzen vertreibt ( odontwn ponon prauni sun oxei eyhqeisa ). Ein gleichzeitig Wolle und Wollfett bedeutendes Wort soll auch nach S t e p h a n u s Dictionarium med ( 1584 p. 87) dasWort oisupides sein. Immer aber bleibt oisupos in erster Linie die in schmutziger Schafwolle enthaltene und aus ihr gewonnene Substanz, die wir bei den Autoren meist als rupos aber auch als patos oder pinos was alles gleich ist, nämlich Schmutz bedeutet, von Disokorides als lipos Fett, bezeichnet sehen. Dass der Name von ois, ovis, sich ableitet, ist selbstverständlich. Dass er aber auf ähnliche Producte von anderen Thieren übertragen ist, zeigt die oben citirten Stellen bei Hippocrates, der trockenen Oesypus der Ziegen medicinisch verwendet, und bei Plinius, der das von den Ziegenbärten abgekämmte Ladanum als Oesypum carprarum bezeichnet. Ob wir unter den Hippocratischen oisuph xhra uns ebenfalls den Hautschmutz oder wie Erotian will, die Excremente der Ziegen vorzustellen haben, lasse ich dahin gestellt sein; jedenfalls aber ist das trockene Oesypum der althellenischen Medicin nicht der Isop, sondern überhaupt keine Pflanze. Es mag hier beiläufig erwähnt werden, dass nicht bloss für die Anwendung der oisuph aigos , sondern auch für die der oesypumhaltigen Schafwolle Belege bei Hippocrates sich finden.

Der Name zûfâ ratab hat in den lateinischen Schriften des Mittelalters sehr verschiedene Verunstaltungen erfahren. Erwähnt wurde schon das Cenferatab des Mtheaeus Sylaticus, der übrigens an einer anderen Stelle die drei arabischen Wörter zûfâ, ratab und jabis zu den Wortungeheuer "Cenferafabis" verschmolzen zu haben scheint. In der Uebersetzung von Serpion de Simpl. Ex. animalibus (Ed. 1525 fol.19) findet sich Sinferatab, in Liber Servitoris Zucherak. Vermutlich gibt es noch andere Entstellungen.

Durch die arabischen Autoren ist die Bezeichnung Hyssopus humidus eine im Mittelalter allgemein gebräuchliche geworden. Erfunden ist indess der Zusatz "feucht" zur Charakterisirung des Wollfetts von den Arabern ebenso wenig wie der Zusatz "trocken", der jedoch wie schon bemerkt bei den Griechen etwas anders wie den Isop bezeichnet. Der Ausdruck ussopos ugros mit dem weiteren Zusatz to farmakon wird von Paulus von Aegina in Gegensatz zu ussopos h botanh in demselben Capitel gestellt, in welchem er das Wollfett von der Lana succida genau unterscheidet; die genauere Charakterisirung des Isops als ussopos h botanh findet sich übrigens schon in Recepten bei Aëtius. Da aber Paulus von Aegina grade derjenige Griechische Autor ist, der neben Dioskorides und Galen am meisten Einfluss auf die arabischen Aerzte gehabt hat, liegt die Vermuthung nicht fern, dass die Araber von ihm den ussopos ugros übernahmen und ihn zu ihrer Terminologie in wörtlicher Uebersetzung verwandten. Am nächsten steht offenbar der Unterscheidung des Paulus von Aegina die bei Rhazes(ed. 1510fo.556) befindliche Benennung:" Ysopus quae vegetatur" sicut origanum valens" und Ysopus humida quae e lanae sordibus fit."Identificirt wird übrigens Wollfett und schmutzige oder saftige Wolle noch in den Verzeichnissen der animalischen Arzneimittel der deutschen Pbarmacopöen des 16. Jahrhunderts, z. B. in der Augustana und im Dispensarium Coloniense von 1565.

Von den Arabern wanderte Hyssopus humida wieder zu den christlichen Autoren zurück und durch sie gerieth die Benennung nicht allein in die medicinischen Schriften, sondern ganz besonders auch in die Apotheken, wo man fortfuhr, dem Namen dann noch zu gebrauchen, nachdem medicinische Humanisten auf den Griechischen Namen oisupos als den correcteren hingewiesen hatten und daraus den lateinischen Namen oesypus bildeten, der sich im 16. Jahrhundert in dem pharmakologischen Büchern und in den Pharmacopöen überall findet, welcher aber ebenso wenig klassisch genannt werden kann wie das griechische Wort oisupon, das wir z. B. bei Otto Brunfels in seinem Onomasticon medicinae (Argenforati 1534) und bei Jean de Gorris (Gorraeus) in seinen Definitiones medicae antreffen. Vielfach wird von den gelehrten Aerzten des 16. Jahrhunderts, u. a. von Matthiolus am Schlusse seiner Uebersetzung des Capitels vom oisupos des Dioskorides, in verächtlichem Tone von dem "vulgus officinarum," das sich des barbarischen Ausdruckes hyssopus humida bediene, geredet. Barbarisch dürfte man aber wohl kaum eine Bezeichnung nennen, deren ersten Theil, auf den es ganz besonders ankommt, schon Celsus und Plinius benutzten. Auf alle Fälle aber vergassen die über den in den Apotheken üblichen Ausdruck die Nase rümpfend Humanisten, dass ärztliche Bücher den Namen im Mittelalter gerade so gut haben als die übrigens auch zum grossen Theile von Aerzten geschriebenen Werke, die sich in mittelalterlichen Apotheken befanden. Keines der Bücher, dessen Vorhandensein in letzten Jahrhunderte des Mittelalters vorausgesetzt werden kann, bezeichnete das Oesypum mit einem anderen Namen als Hyssopus oder Hyssopum. Er findet sich sowohol in dem Liber Servitoris, dessen Verfasser die Darstellung der Hyssopus humida so genau beschreibt, dass man nicht zweifeln kann, der Verfasser habe wirklich Wollfett für medicinische Zwecke bereitet, in dem Canon des Mensuë jun., in welchem, wie wir sehen werden, eine neue Vorschrift für Hyssopus humida und ein Recept für Isopi Cerotum gegeben ist, und in dem gegen Ende des Mittelalters und im Anfange des 16. Jahrhunderts für die Apotheker vorzuweisen als Richtschnur dienenden D i s p e n s a r i u m Magistri Nocolai Praepositi, das Hyssopus humida als Bestandtheil verschiedener Pfaster aufführt und die Mesuësche Vorschrift für "Isopi humidum" reproducirt. In einzelnen späteren Ausgaben von Mesuë, z. B. der von Sylvius (Mesuë Opera 1562) ist allerdings die ursprüngliche Form der Griechen restaurirt und latinisirt. Wenn die pharmakologischen Schriftsteller der Mitte des 16. Jahrhunderts aus sprachlichen Gründen kein Recht hatten, Hyssopus durch Oesypus zu ersetzen und den Gebrauch auch des Namens Hyssopus humida für banausich zu erklären, so lag allerdings ein praktischer Grund vor, ein Grund, der offenbar schon den Paulus von Aegina dahin brachte, das Medicament und die Pflanze Hyssopus mit einem deutlichen Beiworte, deutlicher und charakteristischer als die Adjective trocken und feucht zu kennzeichnen. Das ist die Möglichkeit der Verwechselung, oder wie wir mit Bestimmtheit sagen können, das Vorkommen von Verwechselung bei Herstellung von Hyssopus Praeparaten. Ich will hier nur zum Beweise dafür auf einen Satz aus dem Examen Trochiscorum, Unguentorum, Ceratorum, Emplastrorum des berühmten Pharmakologen Ferraras A n t o n i u s M u s a B r a s s a v o l a, auf 528 der Lyoner Ausg. von 1555 hinweissen. "Ich sah" sagt B r a s s a v o l a, "einen steifnackingen Apotheker in wunderbarer Weise faseln, und er wollte sich nicht belehren lassen, sondern er nahm (zu dem Ceratum Hyssopi des Philagrius) das grüne Kraut Hyssopus, und er wusste nicht, dass in der Vorschrift zu lesen sei "oesypi humidi" d. i. der aus der "Wolle ausgezogene Schmutz" War somit allerdings das Bestreben der Beseitigung des Namens motivirt, so hat es doch bestimmt nicht vollständig" zum Ziele geführt. Hyssopus humida schleppt sich, als Nebenbezeichnung von Oesypus durch Arzneibücher des 17. Jahrhunderts, z. B. die verschiedenen Ausgaben der grossen Pharmacopoeia medico-chymica des Frankfurter Stadtphysicus Dr. Johann Schröder aus Salzuffeln (1664), in den nach dem Tode Occo´s III, der seinen Receptendie weiblichere Form Oesypus humida aufgenommen hatte, erschienen Ausgaben der Pharmacopoea Augustana,und selbst, wie dieAusgaben von 1634-1734 beweisen, nach dem weiter unten zu erwähnenden Anathem, das Zwelfer in seinen Animadversiones gegen das Wollfett als Medicament geschleudert hatte. Noch in der letzten Pharmacopoe, in der das Oesypum Aufnahme gefunden, fordert der Hyssopus humida seine Stelle. Es ist das in Spanien, wo das betreffende Präparat sowie gebraucht wurde, dass es als Hisop umido oder als Hesipo humedo (vgl. Palacios Palestra pharmaceut. Madriti) oder als isopilho humido (vgl. Amati Lusitani Comment zum Dioskorides Venet. 1558 p. 298) in die spanische Sprache aufgenommen ist. Und als spanischer Name findet es sich dort neben dem lateinischen Namen Oesypus, mit der Charakterisirung: "Substantia oleaginoso extractiva, lanae ovinae lotione extracta, et inspissata, Hyssopo humido."

Es mag hier vorgreifend bemerkt werden, dass die bisherigen Angaben über das Verschwinden des Wollfetts aus den Pharamacopöen sämmtlich irrig sind. Worauf die oben erwähnte Angabe in dem Englischen Gerichtsbescheide, dass nach 1720 Wollfett nicht mehr in den Pharmacopöen erscheine, basirt, weiss ich nicht. Sie steht in directem Widerspruche zu der Angaben Wulfsbergs, dass die spanische Pharmacopoe von 1797 noch eine Bereitungsvorschrift für Oesypus depuratus habe. Aber Wulfsberg hat, wie übrigens schon von vorn herein der Umstand zeigt, dass er nicht die Ausgabe selbst, sondern Geigers Univeralpharmacopoe und Richter Arzneimittellehre citirt, diese Pharmacopöen nicht in Haenden gehabt. In der Pharmacopoea Hispana Editio II steht eine Vorschrift zur Reinigung von Wollfett ebenso wenig wie in der Pharmacopoea Matritensis von 1762. Es gibt aber nach 1797 noch zwei spanische Pharmacopoeen, die Editio tertia von 1802 (also fast 100 Jahre später als die von Richter Romer angegebene Jahreszahl) und die Editio quarta von 1817, und in beiden findet sich der gleichlautende, das Oesypum charakterisirende Satz, den wir oben reproducirten, und ein Artikel über Purificatio Oesypi. Beides ist dann aus der letzterwähnten Auflage auch in die Geigerschen Universalpharmacopoe übergegangen. Die Darstellung des Oesypum, seine Verfälschungen und Surrogate.

Wie ein rother Faden zieht sich durch die ganze bisherige historische Auffassung des Oesypum, dass es nur ein Verfahren gebe, das Verfahren des Dioskorides, nach welchem bis in die Zeit, wo das Oesypum aus den Apotheken verschwindet,die Darstellung des Products geschehen sei. Diese Ansicht ist irrig.Wenn wir die für die Bereitungsweise des Mittels in Betracht kommenden wesentlichsten Schriften durchmustern, so werden wir finden, dass im Laufe der Zeit wesentliche Modificationen des ursprünglichen Verfahrens (Verbesserungen dürfen wir allerdings nicht sagen) eingetreten sind, die auch ein in seiner äusseren Form abweichendes Product liefern mussten. Uebrigens muss auch hervorgehoben worden, dass aus der Mittheilung des Dioskorides deutlich hervorgeht, dass schon zu seiner Zeit sein Verfahren nicht ausschliesslich benutz wurde.

Die Darstellung des Oesypum hat bereits Wufsberg a. a. O. mitgetheilt, auch Vulpius gibt sie nach dem Commentar des M a t t h i o l u s mit dessen Zusätzen. Ich kann eine Wiederholung nicht umgehen, weil die späteren Modificationen ohne die Originalschrift kaum zu verstehen wären. Der folgende Uebersetzung liegt der griechische Text der Sprengel´schen Disokoridesausgabe zu Grunde: Oisupos heisst das aus der schmutzigen Wolle (oisuphrvn eriwn) zu gewinnende Fett. Man bereitet es folgendermassen. Nimm weiche schmutzige Wolle und wasche sie mit warmem Wasser ohne Anwendung von Seifenwurzel aus, drücke zugleich allen Schmutz (pasan ruparian )heraus und schütte diesen in einen Mischkessel mit weiter Oeffnung, giesse Wasser darauf und schöpfe es wieder aus mit einem Löffel, kräftig rührend, oder rühre es kräftig mit einem Holze um, bis sich reichlich Schaum und Schmutz gesammelt hat, dann bespritze mit Meerwasser, und wenn das obenaufschwimmende Fett sich abgesetzt hat,so nimm es wieder in ein anderes thönernes Gefäss auf, und Wasser in den Mischkessel schüttend, rühre aufs neue und schütte aufs neue Meerwasser auf den Schaum und verfahre so, bis sich nach Erschöpfung des Fettes kein Schaum mehr bildet. Das gesammelte Oesypum knete mit der Hand und entferne sofort jede Unreinigkeit, das erst Wasser auspressend und anderes hinzufügend, und mit der Hand bewegend, bis es, auf die Zunge gebracht, nicht mehr beisst, sondern etwas zusammenzieht und fettig (liparos),rein und weiss erscheint. So bringe es in ein irdenes Gefäss. Alles aber geschehe bei Sonnenhitze en hliw qermv. Einige aber spülen das Fett nach der Abscheidung mit kaltem Wasser und kneten es mit den Händen wie die Frauen ihre Pomade (khrwth), wodurch es weisser wird. Andere kochen, nachdem die die Wolle ausgewaschen und den Schmutz ausgepresst haben, mit Wasser in einem Kessel auf mässigem Feuer,nehmen das obenauf befindliche Fett weg und spülen es mit Wasser aus, wie oben gesagt wurde, und nachdem sie es in eine irdene Schüssel, die warmes Wasser enthält, durchgeseiht haben, hüllen,sie es in einen Leinenlappen ein und setzen es in die Sonne, bis es hinreichend fest und weiss geworden ist. Einige aber giessen das erst Wasser nach zwei Tagen ab und geben anderes hinzu. Das beste Oesypum ist aber das ohne Beihülfe von Seifenwurzel gewonnene weiche (leion),das mit kaltem Wasser in einer Muschel verrieben weiss wird und nichts Hartes oder Compactes enthält, wie das mit Cerat oder Talg (stear)verfälschte."

Zunächst dem Dioskorides oder möglicherweise gleichzeitig mit ihm beschrieb Plinius der Aeltere in seiner Naturgeschichte (lib. 29 c. 2) die Darstellung. Auch er gibt an, dass es mehrere Verfahren gebe, doch liefere das folgende Verfahren das beste Oesypum. "Man nimmt von den Schenkeln und Achseln der Schafe die frische Wolle oder überhaupt allen frischen Wollschmutz und erwärmt bei schwachem Feuer in einem ehernen Kessel (mit Wasser) und sammelt nach Erkalten das oben schwimmende Fett in einem Thongefässe ; dann kocht man die erste Masse noch einmal. Hierauf wirddas bei diesem Prozesse gewonnene Fett in kaltem Wasser gewaschen, mit Leinwand getrocknet und so lange an der Sonne gedörrt, bis es weiss und durchsichtig wird."

Valpius hat in seiner Uebersetzung "durch ein leinenes Tuch geseiht," was einer schon in der Leydener Ausgabe von 1668 gemachten Conjectur, statt "siccatur in linteo" saccatur zu lesen, entspricht. Die ganze Vorschrift, die wir als Plinische bezeichnnen können, entspricht aber so sehr der zweiten Vorschrift des Dioskorides, dass man, selbst wenn es möglich wäre, das bei dieser Procedur gewonnene feste oder halbfeste Product zu coliren, doch an dem Einschlagen in Leinen bei Dioskorides (linw rakei peripwmasantes) festhalten mussten. Es kann sich höchstens um Abtropfen lassen lose anhaftenden Wassers handeln. Abweichend bei Plinius ist die Aufbewahrungsweise in "zinnernen Gefässen." Auch die Prüfungsmethode ist etwas modificirt; das Oesypum soll in der Hand mit Wasser verrieben, nicht flüssig, sondern weiss wie Bleiweiss werden ("albescat ut cerussa"). Das Seewasser spielt bei Plinius keine Rolle.

In der Reihe der griechischen Autoren, die Bereitungsvorschriften geben, folgt zunächst im 6. Jahrhundert Aëtios von Adida (Tetrabibl. lib. 1 serm. 2 c. 120), dann schon hoch im Mittelalter im 13. Jahrhundert Nicolaus Myrepsos (Uebersetzung von Leonard Fuchs. Basil. 1548. p. 280, 281). Beide reproduciren die Methode von Dioskorides, Aëtios unter Hinweis auf seine Quelle. Die Abweichungen sind meist unbedeutend. Aëtios lässt statt des Schöpflöffels einen Becher oder etwas Aehnliches (potirion h eteronti) nehmen und bei dem Herabgiessen von Meerwasser hat Myrepsos vorsichtig hinzugefügt : "Si non adsit, frigidam aquam insperge." Die wesentliche; Abweichung besteht darin, dass das Bleichen an der Sonne nach Art des Plinianischen Verfahrens den Schluss der Darstellung bildet, so dass also eine Comibination der Darstellungsweise des Dioskorides und Plinius vorliegt: "Setze es in einem Gefässe von Thon der Sonne einige Tage aus und bewahre es auf, und alles Vorhergesagte thue in der Sonne des Sommers (en hliw qerinv statt des bei Dioskorides sich findenden qermv). In dem auf die Verfälschung befindlichen Passus steht bei den Autoren xumh statt stear, wonach diese beide Autoren das Wort des Dioskorides in der Bedeutung "Teig" oder "Sauerteig"" aufgefasst haben, die es bei Theophrastus u. A. hat.

Da ja für die arabischen Schriftsteller häufig Dioskorides der Quell ihres Wissens ist, so kann es uns nicht wundern, das sich bei Serapion den jüngeren (Ende des 11 Jahrhunderts) im Buche de simplicibus das auf das Oesypum bezügliche Kapitel mit einigen Weglassungen und Zusätzen wider findet. Erwähnt wird bei Serapion (Lyon Ausg. 1525 de Simplicibus c. 452 de isopo humida. Fol. 197 a.) die von Dioskorides verworfene Behandlung der Schafwolle mit Seifenwurzel nicht, vermutlich weil dies Verfahren der Wollwäsche zur Zeit und am Wohnsitze des Autors nicht üblich war. Das Aufgiessen des Wassers soll "ab alto cum impetu" geschehen, damit reichlichere Schaumbildung eintrete. Die Geschmacksprobe, wonach das fertige Product nicht beissende Empfindung auf der Zunge erzeugen soll, fehlt. Die Isopus soll nicht nach "astaros" riechen, wohl aber nach Schafwolle ("melior ex isopo est illa, quae non habet odorem a s t a r o s et est mollis cum tangitur, sine asperitate, habens odorem lanae succide.") Ein Fortschritt ist in dieserVorschrift gegenüber der Angabe des Plinius, wonach Oesypus Nach Wollschmutz ("ut sordium virus oleat) riechen soll. Was aber astaros sei, gestehe ich ein, nicht zu wissen. Matthaeus Sylvaticus sagt, dass es griechisch sei und unreines Wollfett bedeute. Mir ist es nicht gelungen, das Wort in alt und neugriechischen Wörterbüchern aufzufinden. Ich vermute, dass es sich um ein arabisches möglicherweise auch hebräisches Wort handelt, das Mist oder Schafmist bedeutet.

Nach grössere Auforderungen in Bezug auf den guten Geruch des "Hyssopum humidum", wie das Praeparat in der lateinischen Ausgabe heisst, stellt der Verfasser das unter dem Namen "Liber servitoris" bekannten Apothekerbuchs, als welcher früher vielfach Abulkasem († 1106) angesehen wurde. Denn in dem längeren Kapitel, in dem er die Bereitungsvorschrift des Dioskorides wieder auffrischt, wird für gute Waare die Forderung aufgestellt, dass sie nicht nach Wolle rieche ("quando non habet odorem lanae") Bezüglich der Verfälschung wird nicht Teig, wie bei Aëtios und Myrepsos, sondern mit Oel und Talg verflussigtes Wachs angegeben. Einen Wendepunkt in der Darstelluug des Oesypum bildet das bekanntlich im Mittelalter vom 2. Jahrhundert an als Kanon der Apothekerskunst gültige Buch von Mesuë jün. Grabbaddin mediceminum compositorium. Hier erscheinte in neues Verfahren, das eine wesentliche Vereinfachung der Vorschriften des klassischen Alterthums gibt. Die Vorschrift lautet in wörtlicher Uebersetzung : "Nimm etwa 60 Pfund darüber hinreichende Maengen warmen Quellwassers, um sie darin 8 Stunden zu maceriren, dann koche einmal auf, drücke das Wasser der Wolle aus und seihe das Wasser durch. Darauf koche es gelinde in einem Gefässe von Zinn unter stetem Umrühren mit einem grossen Holze, so dass jedes anbrennen vermieden wird, und es koche so lange, bis es wie Honig fliesst, und so bewahre es auf." Dieses Verfahren des Mesuë ist dann in den späteren Zeiten des Mittelalters, in denen ja die arabische Medicin die altgriechische verdrängte, auch in Europa die allgemein herrschende geworden. Der Mesuë fand sich in den meisten Apotheken, und wo er etwa fehlte, ersetzte ihn das Dispensarium Magistri Nicolai Praepositi, das, wie ich schon bemerkte, die Vorschrift Mesuë wiederholte. Natürlich findet sie sich auch in dem gewissermassen nur als Commentar des Mesuë anzusehenden Liminare majus des Johannes Jacobus manilus de Bosco (Lugduni 1528) als zu befolgende Vorschrift, in der ältesten Ausgabe (Venetiis 1499) ganz ausschliesslich ohne Hinweis auf das Bestehen älterer Vorschriften von Dioskorides und Plinius, obschon andere Stellen aus den auf Oesypum bezüglichen Artikeln dieser Autoren citirt werden. In der späteren Bearbeitung des Luminare majus von Nicolaus Mutonius aus Mailand (Venetiis 1561) wird dagegen von dem Herausgeber fol. 16 a. die Verschiedenheit der Vorschrift des Mesuë und des Dioskorides durch folgenden "Appendix"zu dem Commentar des Manlius ausdrücklich hervorgehoben: Oesypum qua arte parandum, Dioskorides elegantisseme docet, cujus placita Aëtios quoque non obscure perstiringit, a Mesuë sane longe diversa."

Diese Ausgabe stammt aber aus der Zeit, wo man, wie das bei Dioskorides vorgefundene Wort oisupos natürlich auch die Dioskoridische Bereitungsweise wieder ausgrub und für allein berechtigt erklärte. Schon Vulpius hat hervorgehoben, dass die Kölnische Pharmacopoe von 1565 die Vorschrift, wenn auch nicht wörtlich,doch genau dem Sinne nach reproducirt. Gegenüber den bisher erwähnten Bereitungsvorschriften findet sich in dem Dispensarium Coloniense als neu die Angabe, dass das Wolfett nicht von Schafen, die mit der Räude behaftet sind, genommen werden soll. Eine eigene Erfindung der Verfasser des Buches ist dies aber nicht, denn schon in dem Werke des berühmten Pariser Arztes Jacobus Sylvius (1478-1555) de medicamentorum simplicium delectu praeparationibus, mistionis niodi libri III das zuerst 1542 in Lyon erschien, findet sich in dem Abschnitte über die Arzneimittel aus dem Thierreiche der Satz : Oesypus id es succidarum lanarum piguitude, servetur purus, ex ovibus integris, non scabiosis, der wie vieles andere aus Sylvius, in die erste Kölner Pharmakopoe übergangen ist. Die Dioskoridische Vorschrift ist aber nicht von Sylvius übernommen. Man kann diese bei dem Herausgaber des Mesuë auch wohl kaum erwarten. In seinem Commentare zum Mesuë findet Sylvius zwischen beiden Bereitungsmethoden keinen erheblichen Unterschied. Ausser der Angabe über das Vermeiden räudekranker Schafe hat das Kölnische Dispensatorium noch als neu den auf die Aufbewahrung bezüglichen Satz : "Tum in fictili vase denso et bene cocto reonditur et in cella locovo frigido reponitur." Dagegen fehlt der Hinweis auf Verfälschungen. Von mittelalterlichen Schriftstellern, welche die Vorschrift von Mensuë dem Jüngeren reproduciren, möchte ich noch Heinrich von Mondeville nennen, um den Beweis zu liefern, dass sie nicht bloss bei Pharmaceuten, sondern auch bei Aerzten und Chirurgen Aufnahme gefunden hat. In seinem Antidotarius Cap. 3 beschreibt er die Darstellung der "Isopus humida," das "weder eine eigentliche Salbe, noch ein Pflaster, sondern ein Mittelding" sei, welche "wie ein Unguent auflösend und erweichend wirke" und der "unguenta resolutiva et emplastra et alia medicamina resolutiva" bereitet werden könnten, nach der Mesuë'schen Vorschrift (vgl. die Ausgabe von P a g e l , S. 526).

Der Erste, der die Dioscoridische Vorschrift wieder ausgrub, war Valerius Cordus . Es geschah dies, wie Herr H. Peters in Nürnberg auf meine Bitte zu constatiren die Güte hatte, schon in der ersten bei Johannes Petrejus ohne Angabe der Jahreszahl erschienenen, im Jahre 1546 herausgekommenen Ausgabe seines Dispensatorium. Die in meinem Besitze befindlichen beiden Ausgaben von Venedig (1570 ex officina Valgrisiana) und Antwerpen (1680, von C o u d e n b e r g besorgt) reproduciren den in der Editio princeps enthaltenen Artikel wörtlich. Dieser selbst gibt im Wesentlichen den Inhalt des Capitels der Dioscoridischen Materia medica, nur dass natürlich das Meerwasser, das in Süddeutschland nicht zu beschaffen war, fortblieb.

Wort wörtlich nur mit der Umwandlung der Imperative "infunde: "lava" in die höflichere Conjunctivform "infundatur', "lavetur" u.s. w. stimmt dabei der Artikel der Augsbuger Pharmakopoën des 17. Jahrhunderts überein. In den fünf von Occo III besorgten Ausgaben des 16. Jahrhunderts findet sich keine Bereitungsvorschrift für Wollfett. V u l p i u s hat eine Uebersetzung des Artikels aus der Ausgabe von 1694 mitgetheilt, dessen Inhalt wörtlich mit dem zuerst in der 7. Auflage Von 1640 befindlichen und auch in die, wie wir spä ter sehen werden, für die Geschichte des Oesypum sehr wichtige "Pharmacopoea Augustana reformata et ejus mantissa, cum animadversionibus I. Zwelferi (Viennae, 1652. Goudae, 1653)" übernommenen entspricht. In der Vorschrift ist neu das zu der Charakterisirung der zur Bereitung des Wollfettes zu benutzenden Wolltraeger benutze Wort "defatigataram" offenbar um den Ertrag von Oesypum im Interesse des das Einheimsen des Wollschweisses besorgenden Apothekers zu steigern, sollen die Schafe müde getrieben werden.

Die am Schlusse des Artikels enthaltene Bemerkung, dass die Bereitung von Oesypum den Apothekern viel Mühe mache und daher von ihnen das Mark von Kalbsknochen substituirt worden solle, fasst Vulpius als eine Verfälschung auf. Ich möchte dies jedoch nicht in eine Reihe mit den Verfälschungen setzen, die wir schon in den ersten Zeiten der Oesypumliteratur angeführt finden und welche von Manlius de Bosco den Kräuterhändler in die Schuhe geschoben werden : "Est aldulteratum cum cera aut sebo dissoluto cum oleo ut faciunt multi herbatici maligni." Die Abgabe von Medulla vitulina an Stelle von Oesypum steht offenbar im Zusammenhange mit der hergebrachten, schon von sehr alten Autoren gebilligten Unsitte, an Stelle der in den Apotheken fehlenden Dinge andere gleichwirkende Mittel nach gewissen, als Quid pro quo bezeichneten Verzeichnissen, zu verabreichen. Nun wird aber so wohl in dem Galenus als in dem Paulus von Aegina zugeschriebenen, als in den in verschiedenen Ausgaben des Dispensatorium Valerii Cordi enthaltenen Verzeichnissen der Succedanae zum Ersatze des Oesypum, constant Medulla cervina angegeben. Statt Medulla cervina trat aller die leichter zu beschaffeude Medulla vitulina, die somit nicht eigentlich eine Verfälschung genannt werden kann. Ja, in der Augsburger Pharmakopoe von 1710 wird Kalbsmark geradezu als Succedaneum, d. h. als legitimes Ersatz mittel des Oesypum hingestellt (Einleitung C. 7) und auf S. 254 wird es dem Apotheker zur Pflicht gemacht, entweder gut zubereitetes Oesypum zu führen oder statt dessen Medulla vitulina zu verabreichen ("quem est recte praeparatum habeant pharmaetepoei operam dare debent autsaltem Medullam vitulinam substiuant"). In der Taxe zu dieser Pharmacopoe fehlt ganz, während Medulla vitulina mit 4 Kreuzern (Hirschmark mit 6, Hühnerfett mit 16, Reiherfett mit 12, Menschenfett mit 8 x r und Vipernfett mit 1 fl. 30 x r) für die halbe Unze aufgesetzt.

Die schon bei Vulpius erwähnte, im 17. Jahrhundert ausserordentlich verbreitete umfangreiche Pharmacopoea medico-chymica des Frankfurter Stadtarztes Johann Schroeder (Ulm 1641) und ebenso die in Frankfurt 1656 erschienene Pharmacia simplicium et compositorum bipartita des Herforder Arztes Theodorus Corbejus bringen ebenfalls die Dioscoridische Vorschrift, aber ohne den Status der Schafe zu berücksichtigen. Da die Ausgaben der Schroederschen Pharmacopoe bis in das 18. Jahrhundert hinreicht, so ist nicht zu verwundern, weil man sich in jener Zeit schwer vom Hergebrachten und durch den Drucke scheinbar monumental Gewordenen trennte, dass das überOesypum Mitgetheilte sich auch in den spätesten Ausgaben findet.Ich constantire es z. B. in der 1746-1748 in Nürnberg erschienenen Deutschen Ausgaben (Dr. Johann Schroeder`s Pharmacopoea universalis d.i. Allgemeiner medicinischer Arzneischatz), wo in Th. III auf S. 656b im Anschlusse an den Satz: Oesypus, das Fett von der schmutzigen Schafwolle, insgemein Isopus humida, genannt, wird also bereitet, doch sollen die Schafe nicht räudig sein", die Vorschrift des Dioskorides sich wieder findet. Es handelt sich hier allerdings nur um eine Vorschrift auf dem Papiere, denn da sie in Deutschland nicht mehr ausgeführt wurde, kann keinem Zweifel unterliegen. Denn es findet sich in keiner staatlichen Pharmacopoe dieser Zeit. Dass Oesypum damals nicht mehr in den Apotheken war und wenn es einmal gefordert werden sollte, statt seiner, nach dem Vorgang der Augustana, Kalbsmark abgegeben wurde, erhellt aus den in Th. II neben einander gestellten Arzneitaxen von Augsburg, Brandenburg, Frankfurt, Leipzig, Prag, Ulm, Wien und Würtemberg, von denen keine einen Ersatz für Oesypum enthält. Die das Mittel enthaltenden ältere Arzneivorschriften (s. weiter unten) waren an Deutschen Pharmakopoeën damals sämmtlich entfernt worden.

Werden wir den Blick auf ältere ausserdeutsche Pharmakopoeën, so hat schon E. v. Grot hervorgehoben, dass Oesypum in das Florentiner Receptbuch von 1550 übergegangen sei. Wenigstens finde ich eine solche in der Ausgabe des Ricettario utilissimo, die 1565 bei Vincenzo Vulgrisi gedruckt ist, und in der Antwerpener lateinischen Uebersetzung (Antidotarium bei Plantinus, 1561).

  Von den beiden genannten italienischen Arzneibüchern gibt das Ricettario von 1560 das Verfahren der Alten mit folgenden Worten wieder: "L'oesipo è il sudiciume della lana di pecore, e si chiama volgarmente Isopo humida. Preparasi in questo modo, pigliando la lana sudicia del collo, e delle coscie in buona qualita, la quale s'infonda in acqua bullente, e si lava tonto ehe sia ben netta, e trassi dell' acqua, la quale, ò si rimena molto con bastoni, ò vero si piglia con catini, e versasi sopra il restante in fino a tanto che faccia molta stiuma, la quale stiuma si lascia risolvere, e si piglia quel grasso che nuota sopra l'acqua, di poi si fa il medesimo, e di nuovo si verba il grasso insino a tanto ehe non faccia più stiuma, e non rimanga sopra l´acqua, di poi più grasso, il quale di poco tutto si mescola, e lavasi in acqua pura, rimenandolo al sole continuamente con le mani insino a tanto che diventi bianco, et l`acqua esca chiara, di poi si ripone in un vaso di terra grosso e ben cotto, e si tiene nella vuolta, ò in luogo fresco."

Der Text aus dem lateinischen Antidotarium von 1561 entspricht (mit Ausnahme der von Sylvius entlehten, die "räudigen Schafe" betreffenden Einschaltung) wörtlich der in der Cölnischen Pharmacopoe von 1565 enthaltenen Vorschrift, die somit in keiner Weise originell ist, übrigens auch von Wecker (Antidotarium speciale ad Medicinae studiosis. Basil. 1581) in seinem Antidotarium mit richtiger Quellenangabe wiederholt wird. Ebenso wenig ist aber auch die "Defatigation" der Schafe in der Augsburger Pharmaxopoe dieser ursprünglich zugehörig. Es findet sich diese schon früher in einem anderen Italienischen Antidotarium, dem Antidotarium Romanum, das unter dem als Reformator des Kalender bekannten Pabst Greor XIII. (1572-1582) erschien. In dem mir vorliegenden, allerdings aus dem 17. Jahrhundert stammenden Abdrucke (Frankf. a. M. 1624) heisst es S. 167 mit einem sonderbaren Druckfehler: Oesypi expressio et praeparatio. E sordidis lanis quae ecollo, coxis et alis Avium d e f a t i g a t a r u m fuerint detonsae, worauf dann weiter die Beschreibung des Dioskoridischen Verfahrens folgt.

Die "abgehetzten" Schafe sind auch in die Pharmacopoea Londinensis übergegangen - und finden sich auch in der Uebersetzung aus dem Lateinischen, welche Ritter Nicolaus Culpepper unter dem Titel : ,A Physical Directory or a Translation of the Dispensatory" veröffentlichte und deren 2. Auflage in London 1650 (bei Peter Cole gedruckt) mir vorliegt. Ich stelle der Culpepper'schen Formel der Bereitung des Oesipum die des Antidotarium Romanum gegenüber,uns die grosse Aehnlichkeit beider zu constatiren.

Culpepper (S.240)
The way to make Oesipus.
Take wool cut off form the neck, ribs an under the pits of the forelegs of a sheep not washed, but well wearied, wash it in warm water so long till it had left all is fatness in the water, than press it out an lay it by,let that fat and foul water be powred form an high out of one vessel into another, a long time till it be frothy, than let the froth settle an take of the fat that swims on the top, than pour the water to an fro again till neather more fat nor froth appears, that wash the froth with the fat in cleer water till it be clensed from the dross and will not bite your tongue if you touch it with it, than keep in a thick earthen clean pot in a cold place.
Antidotarium Romaum (S 162.)
Oesypi eypressio et praeparatio. E sordidis lanis quae ex collo, coxis et alis ovium defatigatarum f uerint detonsae, ferventi aqua pluries affusa omnem piguedinem exprimito, repositis lanis profiundo vasculo immissam aquam piguem diu gaitato multifida rudicula, ut multam generet spumam, quam una cum supernatante pinguedine exceptam in alio vaso serosum reponito et hoc toties peragito, dum universam collegeris spumam nec ulla amplius supernatet pinguetudo, hanc collectam pinguedinem cum spuma in aqua pura manibus subigendo lavato, sordes immixtas demito saepius aquam renovado, donec pura effluat, et pinguedo linguae admota non mordat, lotum recondito in fictili.

Es ist immer und immer wieder der wenig modificirte Text des Dioskorides, der uns entgegentritt, allerdings im 17. und 18. Jahrhundert nicht allzuhäufig, da theils das Oesypum ganz, theils die Praeparatio. Die Letztere begnügen sich damit, dann einfach bei "0esipus humida" der Recepte zu bemerken, dass es sich um Wollfett handle. So heisst es in der "Medicina pharmaceutica" von F a r v a c q u a in der Uebersetzung des Leydener Apothekers Io. S c h r o e d e r (Leyden, 1741) bei dem mit Oesypum bereiteten Emplastrum diachylon magnum nur : Oesipus of Smeerd van vuile of vette Wol." Nur in Spanien hat sich noch einmal das Verfahren des Mesuë Geltung verschafft, aber mit einer geringen Modification, indem der Apotheker dabei nicht die schmutzige Wolle zur selbständigen Darstellung des Oesypum, sondern das Mesuë`sche Verfahren zur Reinigung des im Handel zu beziehenden unreinen Wollfetts benutzen soll. Die in den beiden Ausgaben der Spanischen Pharmacopoe, in denen Oesypum zur Pflasterbereitung vorgeschrieben ist, gleich lautende Stelle lasse ich hier wörtlich folgen :

Oesypi purificatio

R. Oesypi impuri q.v.

Coque in Aquae sufficienti quantitate ut fiat liquamentum, seu puls liquida, cola per setaceum, spathulâ ligneâ agitando, et exprimendo vapora ad extracti mollis consistentiam, servaque ad usum. Usus externus.

Diese Vorschrift ist, wie ich glaube auch für Spanien neu gewesen, als der "Oesypus praeparatus" 1803 in die dritte Auflage der Pharmacopoea Hispanica aufgenommen wurde. Denn in der zweiten Auflage von 1741 ist sie nicht vorhanden, und das Pflaster, um dessentwillen der Oesypus praeparatus 1803 aufgenommen wurde, das Emplastrum diachylon magnum (s. weiter unten), fehlt in ihr ganz. Die erste Ausgabe der Hispanica besitze ich nicht und konnte sie bisher nicht erhalten und weiss daher nicht, ob sie etwas von Oesypus praeparatus weiss. Die 1767 erschienene Editio secunda der Pharmacopoea Matritensis enthält zwar das erwähnte oesypumhaltige Pflaster, aber keinen Oesypum depuratus; unter der Liste der Medicamente aus dem Thierreiche befindet sich Qesypus ohne weiteren Zusatz. Die erste Matritensis fehlt mir. Ich bemerke noch, dass das voluminöse Werk, welches Don Felix Palacios 1763 in Madrid unter dem Titel Palestra pharmaceutica chymico-Galenica erscheinen liess, die Herstellung des genannten Pflasters mit Oesypus sehr detaillirt beschreibt, aber von einer Reinigung des Hysopo humedo nichts weiss.

Das Oesypum als Handelswaare.

Wulfsberg hat die Behauptung aufgestellt, dass das Wollfett im Alterthume vorzugsweise ein Product gewisser Ortschaften gewesen sei, "wahrscheinlich solcher, wo Seife und Seifenwurzel beim Waschen der Wolle nicht in Gebrauch waren." Ich bin im Gegensatze dazu der Ansicht, dass zur Zeit des Dioskorides und Plinius das Oesypum eine Hadelswaare war, die einen grossen Verbreitungsbezirk besass. Dass die Kenntniss über die Bereitung und Anwendung des Oesypum im Alterthum ausgedehnte Verbreitung hatte, ist schon von Vulpius hervorgehoben. Für meine Ansicht spricht in erster Linie der Umstand, dass das Oesypum in der Medizin sehr häufig Verwendung fand. Plinius sagt geradezu, es diene zu fast unzähligen Zwecken ("innumeros prope usus habent"), und eine eingehende Betrachtung der medicinischen Verwendung und der aus Wollfett dargestellten Pflaster und Pessarien, wie wir sie in den folgenden beiden Abschnitten geben werden, wird die Richtigkeit dieses Satzes beweisen. Neben den Pflastern und Pessi, deren Dioskorides, Plinius, Celsus, Galenus, Soranus u.a. gedenken, kam aber noch O e y p u m u s t u m in Anwendung, das ebenfalls von Dioskorides und Plinius beschrieben wird, von welchen später Aëtius, Myrepsus und der Autor des Liber servritoris dieses Präparat übernommen haben.

oisupos wird auch," sagt Dioskorides: auf einer neuen Schale (ostrakon) verbrannt bis es das zu Asche gewordene (tefrvqen, nach anderer Lesart puroqen, verbrannt, verkohlt), verloren hat. Man sammelt aber auch den daraus entstehenden Russ, der, wie zuvor gesagt wurde, bei Augenleiden zu gebrauchen ist." Unter den mit Oesypum bereiteten Pflastern ist wenigstens eines, das Ceratum Oesypi, ein allgemein bekanntes und sehr häufig benutztes, wie dies die Worte Galens : "kai toinun h autou khrwth twn apasi gunwskomenwn farmakwn kai crvntai ge pampolla (ed. Kühn X, 965) beweisen.

Zu der medicinischen Verwendung kommt aber noch die bereits oben durch Mittheilung mehrerer Verse aus Ovid belegte cosmetische hinzu. Liebreich betont bei Mittheilung dieser Thatsache, dass das Parfüm von Schafwolle oder Wollschweiss ganz gewiss ein recht zweifelhaftes ist. Nun de gustibus non est dubitandum, der Gebrauch steht fest, der von den Hinterschenkeln der Atheniensichen Schafe genommene Schmutz lieferte den Römerinnen eine Salbe zu Toilettenzwecken, mochte es auch in ihrer Umgebung, wie der Dichter meint, danach durften wie in den von den Harpyen bewohnten Gemächern des Phineus.

Was Wulfsberg von einer Beschränkung der Herstellung in bestimmten Districten, wo die Wolle nicht mit Seife oder Seifenwurz gewaschen sei, sagt, beruht offenbar auf einem Irrtum. Wo Schafzucht bestand, konnte auch Oesypum hergestellt werden. Was aber die Wollwäsche mit Seife anlangt, so war dies" zu Dioskokides' und Plinius' Zeit zweifellos überhaupt nicht gebräuchlich. Wenn der Ausspruch Liebigs, dass der Verbrauch von Seife die Culturstellung der Völker andeute, auch für das Alterthum gilt, so standen Homer und Griechen in der Cultur bestimmt hinter den Germanen zurück. Denn die Seife, deren erste Darstellung aus Talg und Buchen- oder Hainbuchenasche (ich halte diese Lesart "carpinio" für besser als die gewöhnliche "caprino", aus Ziegentalg) Plinius in seiner Naturgeschichte (l. 28 c. 12) den Galliern zu schreibt, ist nach Wort und Sache germanischen Ursprungs (vgl. Martials´s Epigr. 14, 26, 27, auch M. Heyne,, Wörterbuch III, S. 567, wo noch "spuma batava" herangezogen wird) und diente ganz bestimmt weder in Italien noch in Griechenland zur Wäsche der Wolle. Anders ist es mit der Anwendung der Seifenwurzel oder des "Seifenkrautes", denn es handelt sich nach der Ansicht der meisten Botaniker nicht um die mächtigen Seifenwurzeln von Gypsophila Arten, sondern um die Wurzel von Saponaria officinalis oder Lychnisarten. Für diese passt, wie Flückiger betont hat, der deminutive Ausdruck Würzelchen, radicula, recht gut, nicht aber für Gypsophilawurzeln. Doch wird noch heute die Wurzel von Gypsophila Arrostii in Süditalien und auf Sicilien sowohl radicetta als erba lanaria genannt. Dass die Radicula lanaria dem Griechischen Struthion entspreche, deutet die Zusammenstellung beider Namen bei Dioskorides, Plinius und S c r i b o n i u s L a r g u s (ed. 1549. p. 15) an. Noch heute sind in Griechenland für Saponaria officinalis die Namen kalostrouqi( (schönes Struthium) und sapounocorton(eigentlich Seifengras) für Saponaria gebräuchlich (Fraas), währenddort eine zum Waschen zu verwendende Gypsophila nicht benutzt wird. Jedenfalls sind Lychnideen mit Gehalt an Saponin in Südeuropa so verbreitert, dass man kaum bestimmte Gegenden ausschliessen kann, wo sie nicht zur Schafwäsche zu beschaffen gewesen wären. Dagegen lässt sich allerdings nicht bestreiten, dass die Wollwäsche mit Seifenkraut die Qualität des Oesypum beeinflusste, indem in der Wäsche etwas von dem darin vorhandenen scharfen Saponin dem Endproducte sich beimengte, wodurch dieses auf der Zunge beissenden Geschmack hervorrufe und auf andere Schleimhäute heftig irritirend wirken konnte. Die Warnung vor solchem saponinhaltigen Wollfett war um so angebachter, als, wie wir weiter unten sehen werden, das Oesypum bei den Alten zum grossen Theil auf Schleimhäute (Conjunctiva, Vaginalschleimhaut) angewandt wurde. Die Schärfe der Seifenwurzel war übrigens insofern den Alten nicht unbekannt, als sie deren bei Application auf die Nasenschleimhaut hervortretende Wirkung beobachtet hatten und deshalb, wie die oben angeführte Stelle bei Scribonius Largus beweisst, die radicula lanaria neben Radix Hellelori als Sternutatorium verwendeten.

Dass das Oesypum einen allgemeinen Handelsartikel bildete, geht weiter daraus hervor, dass die Alten von verschiedenen Sorten reden. Angeführt wird freilich nur die beste, das Attische Oesypum, während die Herkunft des schlechteren todtgeschwiegen wird. Dass Attica das beste Wollfett liefere, darüber stimmen Ovid, Dioskorides, Plinius und Galen überein. Bei Plinius heisst es : "In Atticis osvibus genito palma." Die Stelle bei Galen : "dass der Attische oisupos besser als alle anderen ist, weisst du," ist schon oben. Griechisch angeführt worden. Ob nun wirklich das Vermeiden des Seifenkrauts oder die grössere Sauberkeit und Accuratesse bei der Bereitung Ursache der Trefflichkeit des Attischen Products gewesen ist, das lässt sich heute nicht mehr bestimmen. Man könnte auch an die Verwendung des Seewassers bei der Darstellung denken, insofern darin kleine Mengen von Carbonaten (nach M u l d e r des Kalkes und des Magnesia) enthalten sind, die zur Neutralisirung der im Oesypum impurum vorhandenen freien Fettsäuren dienen können, welche auch ohne die gleichzeitige Anwesenheit von Saponin auf der Zunge ein beissendes Gefühl hervorrufen können. Indessen sind diese Carbonate gerade im Wasser des Mittelmeeres in relativ geringer Menge vorhanden, so dass man von ihnen für die Neutralisation des zu gewinnenden Wollfetts nicht viel erwarten kann.

Eine weitere Stütze für die Anschauung, dass Oesypum im Alterthume ein verbreiteter Handelsartikel war, ist das Vorkommen vonVerfälschungen. Wenig gebräuchliche Medicamente werden nicht verfälscht, wenn sie nicht sehr theuer sind, und das wird man doch wohl nicht von dem Wollschweisse sagen können. Vulpius meint freilich, dass die Verfälschung der Oesypum erst in der Pharmacopoea Angustana von 1694 erwähnt werde. Indessen hat er selbst schon nach der Übersetzung von Mathiolus der von Dioskorides erwähnten Verfälschung mit Wachssalbe und Talg Erwähnung gethan. In dem Abschnitte über die Darstellung habe ich die von Aëtius und Myrepsos angegebene Verfälschung mit Teig besprochen. Wenn hiernach zur Zeit des Plinius und Dioskroides das Oesypum eine verbreitete Handelswaare war, so lässt sich doch nicht in Abrede stellen, dass bei den beschränkten Verkehrsverhältnissen der alten Zeit mitunter local die Nachfrage das Angebot überstieg und Mangel an dem für Pflaster und Pessi nothwendigen Stoffe eintrat. Hierfür liegen zwei unzweideutige Zeugnisse medicinischer Schriftsteller allerdings aus etwas späterer Zeit vor, die für solche Fälle Vorschriften zur Bereitung eines Surrogats geben.

Die beiden Autoren sind Aëtius von Amida (6. Jahrhundert) und Paulus von Aegina (Ende des 7. Jahrhunderts). Ihre Vorschriftensind wesentlich gleich, nur verordnet Paulus Wein, wo Aëtius Wasser angibt. Ich gebe hier in Uebersetzung nach dem griechischen Texte (Ausg. v. Gemusaeus, Basil 1538) das Capitel von Paulus, das dadurch besonders interessant ist, dass es zuerst den Ausdruck usswpos ugros mit dem Gegensatze ussopws h botanh hat.

Bereitung des feuchten Isops des Arzneimittels. Melilot ¹/³Pfd., Cardamomen 1/6 Pfd., sehr schmutzige Wolle 1/2 Pfd., weiche in einem Schoppen Wein drei Tage, dann koche, bis wenig übrig bleibt, und nach durchseihen mische dem Weine drei Spitzgläser Oel bei, und koche bis wenig von dem Weine übrig bleibt und dann füge 5/6 Colophonium und Terpenthin hinzu. Einige aber mischen auch Wachs hinzu und kochen eine Unze Isopkraut mit den übrigen. Andre waschen die Wolle mit Wein und bringen den Wein mit dem Schmutz (rupos, den sie auch puios nennen, zur Trockne, und wenn sie ihn nötihig haben, setzen sie 1/4 Pfd. davon zu und verfahren sonst der Vorschrift gemäss."

Das Capitel bei Aëtius (Coll. Stephan. 772a) weist zuerst auf die in einem früheren Buche gegebene Anweisung für die Darstellung von Oesypum aus Fettwolle hin und führt dann fort : W e n n   a b e r   j e n e s   n i c h t   z u   h a b e n   i s t , s o   n i m m  d a s , w e l c h e s   a u f   f o l g e n d e   W e i s e   b e r e i t e t   z u   w e r d e n   p f l e g t: Meliotus 1/3 Pfd., Cardamomum, Hyssopus herba 1/6 Pfd., feuchte Wolle von den Achseln der Schafe 1/3 Pfd., Colophonium Wachs, Fichtenharz 5/6 Pfd., süsses Oel 2 Pfd., Wasser drei Schoppen. Melilot, Cardamomen, Wolle und Isop macerire drei Tage hindurch mit Wasser, dann koche auf den dritten Theil ein und seihe durch. Dann verflüssige was zu verflüssigen ist. und mische den Saft und das Oel und lass alles zugleich bis bum Verschwinden des Saftes kochen."

Man sieht, es ist ausser der Anwendung des Wassers und dem Zusatze von Wachs zwischen beiden Autoren kein Unterschied, nur giebt Aëtius ausdrücklich an, dass das Präparat nur in Ermangelung des gewönlichen Oesypum in Anwendung kommen solle.  

Später hat dieses künstliche Oesypum seinen Charakter als Ersatzmittel des natürlichen verloren und ist zu einem selbstädigen Pflaster geworden, für welches wir bei Nicolaus Myrepsus unter dem Namen E m p l a s t r u m   d e  O e s y p o (No. 105) die Vorschrift Des Paulus wiederfinden.

Jedenfalls ist der Umstand, das man sich beim Oesypum nicht mit den gewöhnlichen Succedanea, wie sie in der Tabelle des Galen angegeben sind, begnügte, dafür eine besondere Mischung erfand, ein Beweis dafür, dass entweder derartige Verkehrsstörungen häufiger vorkamen oder dass das Mittel ausserordentlich häufig gebraucht wurde, wie dies in der That sich nachweisen lässt, oder für beides zugleich.

Genaues über den Handelsverkehr mit Oesypum in den einzelnen Perioden des Alterthums ist aus den alten Aerzten nicht ersichtlich. Das Attische Oesypum findet sich in der späteren Zeit nicht mehr besonders hervorgehoben. Zur Zeit Avicennas scheint nachd dessen Angaben im Orient Armenien die Bezugsquelle des Mittels gewesen zu sein, über dessen Genisis der Fürst der Aerzte allerdings etwas bedenkliche Anschauungen äusserte.

Dass es Zeiten und Gegenden gegeben hat, in denen Oesypum nicht Gebraucht wurde, scheint der Umstand darzuthun, dass keineswegs alle griechischen und arabischen Aertze des Mittels gedenken. Im Mittelalter hat die Salernitaner Schule in ihren ältesten Arzneibüchern von N i c o l a u s   S a l e r n i t a n u s, Magister S a l e r n u s und B e r n a r d u s   P r o v i n c i a l i s das Oesypum nicht. In den deutschen Arzneibüchern und bei K o n r a d   v o n  M e n g e n b e r g fehlt es. Von Schriftstellern des späten Mittelalters gedenken seiner u. a.  A r n a l d u s   V i l l a n o v a n u s und B a r t h o l o m a e u s Montagnana nicht. Das Oesypum zu jener Zeit nicht in den Apotheken direct gemacht wurde, sondern von Kräuterhändlern bezogen wurde, beweist die Stelle im Luminare majus, wo es heisst, dass es von den "herbatici" verfälscht werde.

Aus der Neuzeit habe ich nur relativ späte Nachrichten über Oesypumbereitung im Grossen aufgefunden. Die möglicherweise darauf zu beziehende Stelle in dem Commentare des V a l e r i u s  C o r d u s zu der Materia medica des Dioskorides (Ausg. Von 1561, f.31)" (Lanarum) sordida pinguedo adhuc praeparatur, quam Graeci oisupon vocant" kann auch auf Bereitung in den Apotheken bezogen werden. Dagegen finden sich aus dem Ende des 17. Und dem Anfange des 18. Jahrhunderts eine grössere Anzahl verbürgter Nachrichten, dass d a m a l s  i n  F r a n k r e i c h   O e s y p u m  p r od u c i r t  u n d   in   a n d e r e   L ä n d e r  e x p o r t i r t  w u r d e. Ich lasse verschiedene Stellen dieser Art folgen : In der von Dr.  B e ck e r aus Alsfeld in Rheinhessen besorgten lateinischen Ausgabe der historia simplicium reformata des berühmten Leydener Professors der Botanik Michael Bernhard V a l e n t i n i (Frankf. a. M. 1716) findet sich S. 32 folgendes über Oesypum:

De ovibus Europaeis et indigenis m a t e r i a l i s t a e   v e h u n t Oesypum s. Hysopum humidam, quae nihil aliud est, quam. adeps s. pinguedo p o s t   l o t i o n e m aut coctionem in aqua, aquae innatans despumata, per pannum trajecta, et parvis doliolis indita. Interdum e Gallia fertur, quam oportet esse recentem, non foetidam et cinereo albicantem."

In W o y t s Gazophylacium medico pysicum oder Schatzkammer medicinisch-natürlicher Dinge (12. Aufl. Leipzig, 1744) findet sich die Stelle aus V a l e n t i n i wörtlich ins Deutsche übersetzt wieder.

Genaueres über diese französische Industrie um 1700 herum geben die beiden grossen französischen Werke über Drogen, die histoire des drogues von P o m e t (Paris, 1694) und das Dictionnaire universel des drogues simples von L e m e r y (Paris, 1733). Ich reproducire nur aus dem ersteren die betreffende Stelle (T. IL p. 33), weil Lemery dasselbe nur mit anderen Worten sagt:

"L'Oesipe que les Latins appellent Oesipus humida est une espèce de Graisse que l'on trouve nageant sur l'eau, et, qui est adhérante à la laine des Moutons et des Brebis, surtout à celle entre les cuisses, et de la gorge. Ceux qui lavent les laines, ont soin de ramasser cette graisse et de la passer par une méchante toile, et de la mettre en suite en petits barils, pour l'envoyer en différents endroits. Le Berry, la Beausse et la Normandie sont les endroits d où l'on nous envoye le plus de cette marchandise ; mais le peu d'usage fait qu'il s en debite très peu."

Dafür dass im 16. und. 17. Jahrhundert das Oesypum von den Apothekern nicht allein gereinigt, sondern auch gesammelt wurde, werden wir weiter unten einen Beweis erbringen. Offenbar hatte Mesuë, als er seine oben erwähnte neue Bereitungsvorschrift gab, die Absicht, die Bereitung des Oesypum aus den Haenden der Schaefer in die der Apotheker gelangen zu lassen. Hierzu können zwei Gründe vorgelegen haben. Einmal der Mangel an hinreichender Oesypumzufuhr, wie er den Aëtius und Paulus von Aegina bewog, einen ussopos ugros zu componiren, dann aber, weil die von den Hirten gelieferte Waare doch allzuwenig den Anforderungen entsprach, die man an ein Mittel dieser Art nach dem Vorgange des Dioskorides und Plinius zu stellen sich berechtigt hielt. Allerdings ist ja die Dreckapotheke nicht erst von P a u l l i n i erfunden, sondern von den Alten übernommen, aber eine schlechte, sorglose, unreinliche Darstellung entzog derartigen Stoffen, wie dem Oesypum die Eigenschaft in Pfastermassen aufgenommen werden zu können, und konnte insonderheit auch bei der Verwendung zu Pessarien, die recht üblich war, gradezu putride Infection veranlassen.

Was aber Mensuë auch geleitet haben mag, als er eine Vorschrift gab, die freilich noch viel weniger als die Vorschriften von Dioskorides und Plinius ein weisses Product liefert, jedenfalls ist im Laufe der Jahrhunderte eine wesentliche Verschlechterung des Oesypum des Handels eingetreten. Man darf freilich auch nichtgar zu hohe Begriffe von dem Oesypum der Kaiserzeit haben. Ueber dessen Beschaffenheit kann ich der Meinung von Vulpius, der sich auch R. v. Grot (Dorpater histor. Studien, Bd. 1 p. 120) angeschlossen hat, dass es sich um ein Wollfett mit sehr grossen Mengen Wasser gehandelt habe, das daher das Aussehen einer weissen Emulsion gehabt hatte, nicht beipflichten. Es hatte offenbar nahezu das Aussehen der auf dem Wollwaschwasser schwimmenden Masse, war also mehr graugelb. Wäre dies nicht der Fall gewesen, so wäre die Angabe nicht zu verstehen, dass Oesypum nicht schmelze sondern weiss wie Bleiweiss werden sollte, wenn man es mit Wasser verreibe. Eine bereits weisse salbenförmige Masse konnte danach nicht vorhanden sein. Die Anforderungen die man in Bezug auf den Geruch stellte, waren wie oben dargethan wurde, zu verschiedenen Zeiten different, jedenfalls erhielt manches Oesypum des Handels Reste von Faecalien, die auch auf die Farbe nicht ohne Einfluss blieben. Bestimmte Kunde von dem Vorhandensein von schlechtem, zur Arzneibereitung sich nicht qualificire dem Oesypum in den Apotheken haben wir erst aus dem 16. Jahrhundert. In den verschiedenen Ausgaben der Dispensatorien des Valerius Cordus kehrt constant der Satz wieder, "Sed non bene praeparatus habetur in pharmacopoliis." Wie das Mittel aussah, wird dabei nicht gesagt.

Dagegen wird uns von Pomet und nach ihm von Lemery sehr genau beschrieben, wie der im französischen Handel am Ende des 17. Jahrhunders vorhandene Oesipe heschaffen war. Ich gebe die Beschreibung mit den Worten Pomet`s wieder:

" on doit choisir l`Oesipe nouvellement faite d'une consistance moyenne, en ce que plus il vieillit, plus es durci, et devient par la longueur des temps dur comme du savon bien sec; il faut aussi que son odeur soit supportable p a r c e q u' i l y e n a q u i p u t s i f o r t, qu'il est i m p o s s i b l e d'e n a p p r o c h e r; que sa couleur soit d'un gris souris, et finalement qu'il soit le moins r e m p l i d e s a ll e t e z, que faite se pourra."

Pomet führt freilich noch an, dass so stinkend die Waare auch sein mag, sie doch nach sehr langer Aufbewahrung ihren abscheulichen Geruch verliert und einen ziemlich angenehmen Geruch bekomme, der an Ambra grisea erinnere. Immerhin aber ist diese Beschreibung sehr geeignet, um die von Liebreich ausgesprochene Ansicht zu rechtfertigen, dass die schlechter gewordene Beschaffenheit des Oesypum die Ursache war, dass man das Oesypum aus der Therapie verbannte, was um so leichter geschehen konnte, als es ja damals nur noch zu wenigen galenischen Praeparaten benutzt wurde.

Für das Verschwinden aus den deutschen Apotheken und Arzneibüchern hat aber bestimmt noch ein zweiter Umstand beigetragen,nämlich die d i r e c t e  A u f f o r d e r u n g  z u r   E n t f e r n u n g  d e s   ü b e r f l ü s s i g e n   P r a e p a r a t e s   w e g e n   d e r   g r o s s e n   M ü h e, d i e   d e r e n   B e r e i t u n g   d e n   A p o t h e k e n  m a c h e, der, wie aus dem unten zu gebenden Texte dieser Aufforderung hervorgeht, das Oesypum nicht allein reinigen, sondern auch sammeln musste. Ich gebe diese Aufforderung in deutscher Uebersetzung:

"Wenn ich die Sammlung oder Zubereitung des Oesypum näher betrachte, so kann ich mich nicht genug wundern, dass man so übelriechenden und schmutzigen Thierschweiss dergestalt als Handelsmittel ausbeutet, als ob nicht tausende von Mitteln, z. B. die Fett- und Schmalzarten gegen die nämlichen Leiden benutzt werden können wie Oesypus, gleich an Wirksamkeit und gleichbewährt, auch zu mässigerem Preise und mit viel geringer Mühe und überall in grösserer Menge zu haben. Ich gestehe offen, dass ich lieber eine Unze dieser Oesypus für einen Ducaten kaufen, als sie selbst sammeln will; denn wie gross die Herde der Schafe, wie gewaltig die Arbeit ist, wie grosse Kosten erforderlich sind, um diesen Schmutz zusammenzukratzen (ad hanc spurcitiem corrodendam) und welchen unangenehmen und ungesunden Gestank man bei der Bereitung auszuhalten genöthigt ist, das weiss nur der, welcher Oesypus gesammelt und bereitet hat. Daher möchte ich glauben, dass man diese unnützen Excremente, jetzt wo ein solcher Reichthum an sonstigen Galenischen und Chymischen Mitteln besteht recht wohl aus den Apotheken verbannen kann. Zudem halte ich es für vernünftiger, wenn Wolle applicirt werden muss, jene erst durch Auswaschen von jenem Unflath (spurcities) zu befreien und gründlich zu reinigen, als sie so übelriechend und mit Schweiss oder wer weiss was sonst für Unflath besudelt am Körper anzuwenden."

Diese Aufforderung konnte nicht ohne Wirkung bleiben, denn sie ging von einem hochangesehenen Arzte aus, der von der Pharmacie viel mehr verstand, wie seine meisten Collegen, weil er sie selbst practisch lange Zeit ausgeübt hatte. Der Autor ist Dr.  J oh a n n e s  Z w e l f e r, der nach 16jähriger Ausübung der Pharmacie und längerem Studium der Chemie zur Medicin überging und als Arzt in Wien 1652 seine Ausgabe der reformirten Ausburger Pharmacopoe mit Anmerkungen begleitete, welche Front gegen alle überflüssige Mittel, wie Mumia u. a. machte. Die Stelle, in der er das Oesypum bekämpft und welche bestimmt nicht ohne Einfluss auf dessen Verschwinden blieb, findet sich auf S. 727 der oudaer Ausgabe.

Dass übrigens schon lange vor Zwelfer einzelne Pharmakologen das Oesypum für entbehrlich gehalten, zeigt das Fehlen in den dem 16. Jahrhundert angehörigen französischen Dispensatorien von R o n d e l e t und J o u b e r t. Indessen blieb das Mittel gerade in Frankreich, wenn es auch aus den zusammengesetzten Arzneivorschriften verschwand, doch noch zum Privatgebrauche in den Apotheken. Die Auflage des Codex medicamentarius Parisiensis von 1758 enthält zwar keine mit Oesypum bereitete Pfaster mehr aber in ihrem Verzeichnisse der Simplicia figurirt noch immer : "O e s i p u s. L a  g r a i s s e   d e   l a   l a i n e   g r a s s e." Sehr frühzeitig hat der Gebrauch in den Niederlanden aufgehört, da Oesypum in fast allen Pharmacopöen dieses Landes z. B. in der Pharmacopoea Amstelredamensis (1636), Hagiensis (1659), Ultrajectina (1664) und Almetiana (1723) fehlt ; auch P r i m r o s e s Ars pharmaceutica (Amsterdam, 1651) hat es nicht. Dagegen kommen in der Pharmacopoea Brusellensis (1641) Ceratum Oesypi und oesypumhaltiges Empl. Diachylon cum gummis vor.


Oesypum als Heilmittel in bestimmten Krankheiten.

Die Geschichte der therapeutischen Verwendung des Oesypum reicht nur bis auf Celsus, Plinius und Dioskorides zurück. Was man aus der klassischen Hellenischen Zeit herangezogen hat, um die Existenz und den Gebrauch des Mittels zu erweisen, sind nur sehr problematische Daten. Für die Angabe, dass das Wollfett im Sinne von Dioskorides schon zur Zeit H e r o d o t´s bekannt gewesen sei, gibt Herodot selbst keine genügende Stütze. Er erzählt nur im 4. Buche seines Geschichtswerkes (187), dass die Libyer bei ihren Kindern, um sie gesund und kräftig zu machen, die Adern am Scheitel oder auch an der Stirn mit oisph (oder nach anderer Lesart mit oisuph brennen. Dass hier von schmutziger Wolle, nicht aber von Oisupos des Dioskorides die Rede ist, liegt auf der Hand. Noch heute wird fette Wolle im Orient zu Moxen angewandt, und wie R o e s e r 1863 auf der Karlsbader Naturforscherversammlung mittheilte, benutzte man in Griechenland bis in die neuere Zeit hinein bei einer für untrüglich gehaltenen Behandlung von Bisswunden toller Hunde neben cantharidinhaltigen Insecten das Kauterisiren der Wunde mittelst Abbrennens einer Wollflocke.

Von R. v. Grot wird auch A r i s t o p h a n e s herbeigezogen, der das Fussgelenk des Helden Lamachos mit Oesypum heilen lasse. Die Stelle, welche diese Ansicht begründen soll, befindet sich in dem Lustspiele Acharnenses v. 1177. Dort werden zur Vorbereitung zu einem Verbande heisses Wasser, Binden, Cerat und eria oisuphra, d. h. Wollschutz enthaltende Wolle, aber nicht das aus dieser Wolle bereitete Produkt des Dioskorides gefordert. Dass man zur Zeit des H i p p ok r a t e s von der schmutzigen Wolle bei Fracturen zu Verbänden Gebrauch gemacht hat, das geht zur Genüge aus dessen Buche peri agmvn (ed. Kühn. T. III. p. 115) hervor, wo er mittheilt, dass die meisten Arzte Fracturen, sowohl incomplicirte als complicirte, in den ersten Tagen mit schmutziger Wolle behandeln, und dies Verfahren als ein sehr empfehlenswerthes bezeichnet, da sich Wolle besser als Leinen zu derartigen Verbänden eigne. Hier steht eirioisin ruparoisin; in Galen`s Commentar zu den Buche des Hippokrates wird dazu die Erklärung gegeben: toutestin oisuphra (Galeni Opp. Ed. Kühn. T 18 a. p. 697) und an einer anderen Stelle wiederholt er die Erklärung mit etwas anderen Worten: toutestin oisupon econta. Jedenfalls sind diese Stellen nicht geeignet, die Existenz des Oesypum als Heilmittel in den Zeiten des Hippokrates und des Atheniensischen Komoediendichters, der übrigens sehr genau die Hellenische Behandlung der Fracturen angibt, zu erweisen. Dass die oesypum- haltige Wolle auch später neben Oesypum in Anwendung kam, beweisen ausser schon oben angeführten Stellen aus Galen besonders die Empfehlungen der Schweisswolle von A r e t a e u s und A l e xa n d e r v o n T r a l l e s bei Podagra *)

Dass die Römischen und Griechischen Aerzte, die wirklich des Oesypum Erwähnung thuen, dieses nicht als eine Substanz zur Salben- und Pflasterbereitung hinstellen, sondern ihm Heilwirkungen gegen bestimmte Krankheiten beilegen, kann nicht befremden. Von den nach P l i n i u s "fast nicht zu zählenden" Affectionen, gegen welche das Mittel im Alterthume empfohlen wurde, stehen Augenaffectionen und diverse Krankheiten an den Geschlechtstheilen und am After obenan ; daneben fand es auch bei Wunden und Geschwüren der Haut mannigfache Verwendung.

So z.B. in der Form des Neunmittelpflasters von C e l s u s (lib. 6. c. 19), das als "ad pus movendum et purgandum valens" bezeichnet wird, während Celsus an einer anderen Stelle (lib. 6. c. 30) von dem Einflusse des noch in der Wolle befindlichen Wollfetts auf die Verheilung ("ad vulnus implendum") nicht viel wissen will und die gewaschene Wolle als Bedeckungsmittel vorzieht : "Lanae succidae supervacuus usus est; lota melius circumdatur." Im Uebrigen hat Celsus das Mittel in vorschriften bei Rhagaden des Afters, wo er besonders betont, dass es frisch sein muss, und bei Condylomata, wo jedoch nicht das Oesypum das Hauptmittel ist, sondern chalcanthos, worunter wir in Ermangelung präciserer Bestimmung  verwitterten Eisen- und Kupfervitriol verstehen können.

D i o s k o r i d e s (lib. II. c. 84) legt dem Oesypum erwärmende, erweichende und die Verheilung von Geschwüren fördernde Wirkung bei, die sich besonders in der Umgegend des Afters und der Vulva äussere, wenn man es mit Melilotus und Butter applicire. In Wolle eingeführt (als Pessarium) errege es die Geburt und die Menstruation; mit Gaenseschmalz verbunden wirke es auch auf Geschwüre an den Augen und: Genitalien günstig; ferner sei es wirksam bei geschwürigen und scabiösen Augenwinkeln, bei Verhärtungen der Augenlider (blefara tetulwmena) und Ausfall der Wimperhaare. Ueber Dioskorides` Angaben bezüglich des veraschten oder verbrannten Wollfetts ist schon oben berichtet worden. P l i n i u s sagt über die Heilwirkungen des Wollfetts ziemlich genau dasselbe wie Dioskorides, erwähnt aber ausserdem noch den innerlichen Gebrauch bei Morbus comitialis (Epilepsie) und Wassersuchten (lib. 30. c. 10) und eine Salbe aus Zinkoxyd (pomfolux) mit esypum und Rosencerat bei Ignis sacer. Auch gedenkt er der sehr unappetitlichen Verwendung der Schmutzknäuel am Schwanze der Schafe, die man getrocknet und gepulvert bei Geschwüren des Zahnfleisches und bei wackelndem Zähnen gebrauchte, und die wir auch in dem aus dem Anfange des 3. Jahrhunderts stammenden medicinischen Lehrgedichte des Q. S e r e n u s S a m o n i c u s (ed. Ackermann. Lips. 1786. p. 50. c. 14) mit den Versen verherrlicht finden :

"Aut tu sume pilam quae caudis haeret ovinis.
Haec siccata dabit molles et fracta farinas,
Hujus et attritu tetrum mulcebitur ulcus."

  Die angeführten Empfehlungen des Oesypum finden sich auch bei späteren medicinischen Autoren des Alterthums. Die Angabe von Wolfsberg, dass G a l e n dem Wollfett keine Vorzüge vor anderen Fetten gebe, ist nicht ganz correct. sie stimmt weder zu den Angaben Galen`s in seiner Schrift über die einfachen Arzneimittel (ed. Kühn. XII. pag. 309), noch zu den im Commentar zu Hippokrates´ Schrift peri agmvn (a. a. 0. XVIII,1. p. 696). An der ersten Stelle schreibt Galen dem Wollschmutze, aus dem man das Oesypum mache, eine der Butter ähnliche peptische, aber auch eine gleichzeitig entleerende diaphoretische Wirkung zu ( peptichs estidunamews paraplhsiws tv bouturw, bsacuti de kai diaforhtikon ecei) In der zweiten Stelle sagt er, dass das Oesypum keine einfache Wirkung habe, sondern aus Gegensätzen gemischte Kraft besitze, gleichzeitig zusammenzuziehen und mässig zu erwärmen ( alla micths ex enantiwn poihihion te kai dunamewn, ths te stufoushs kai ths JerMainoushs liarws). Will man die Krankheiten, gegen welche Galen oesypumhaltige Medicamente empfiehlt, als Indicationen für Oesypum gelten lassen, so sind es vor allen Ueberanstrengungen der Muskeln, gegen welche mit Oesypum bereitete Linimente gebraucht werden. Ausserdem empfiehlt Galen Oesypum als Zusatz zu einer Mischung gegen krankhafte Gasbildung (ed. Kühn, XII, 309) und zu einer Mischung mit Seife, Wein und Oel gegen Emphysem der Haut und der Muskeln.

  Sehr verbreitet war der Gebrauch von Oesypum in der Schule der Methodiker, und hier vorwaltend in der gynaekologischen Praxis. In einem uns bei Paulus von Aegina (ed. Stephan. p. 604) erhaltenen Capitel aus A n t y l l o s über Pessi finden sich unter 7 Butterzäpfchen nicht weniger als drei oesypumhaltige, darunter ein als G e n i t u r a bezeichneter Pessus ad concipiendum. P h i l a g r i o s erfand ein als Pessus benutztes Pflaster, das seinen Namen bis ins 18. Jahrhundert trug. S o r a n o s v o n E p h e s o s und sein Uebersetzer M u s c i o (Moschion) wandten Pessarien mit Oesypum bei Menstrualstörungen und Entzündungen der Gebärmutter an, Letztere auch ad conceptionem (hier mit Adeps leaenae !).

  Neue Verwendungen von Oesypum, die allerdings zum grössten Theile aus den Effecten abgeleitet sind, welche aus der Application mit Oesypum bereiteter Pflaster resultirten, finden wir bei den Arabern. So soll z. B. Oesypum nach A v i c e n n a (Lib. II. F. 2 p. 363) Abscesse (apostemata) zur Lösung bringen, wenn es als Pfaster aufgelegt wird ; ausserdem empfiehlt er das Mittel gegen Frigidität der Leber, Nieren, Blase- und Gebärmutter und als Resolvens bei Verhärtungen der letztgenannten Organe. R h a z e s sagt im Anschlusse an Avicenna vom Oesypum : es zeitigt Verhärtungen und erweicht Abcesse, und besonders diejenigen, welche in der Blase und Gebärmutter entstehen.

Besonders reichen Zuwachs erhält die Zahl der durch. Oesypum zu curirenden Krankheiten durch S e r a p i o n. Nachdem er die von Dioskorides gegebenen Indicationen wiederholt hat, fährt er fort: "Es hilft bei giftigen Bisswunden und bei alten Bauchflüssen, sowie bei Geschwüren der Eingeweide, es hemmt den Fluss der Menstruation Und löst das geronnene Blut im Magen und in der Blase auf, und wenn es, wie oben erwähnt, in einem Tranke genommen wird, so reinigt es die Geschwüre in der Brust und in der Lunge. Auffallend erscheint auf den ersten Blick der Wiederspruch gegen Dioskorides, der zwar auch eine Einwirkung auf die Menstruation angibt, aber in umgekehrter Richtung : "es treibt die Menses und die Geburt, wenn es mit Wolle applicirt wird." Offenbar kann aber beides auf Beobachtung beruhen, wenn man erwägt, dass nicht das Wollfett, sondern das Pessarium, das mit diesem bestrichen wurde, das eigentlich Wirksame darstellte, das unter Umständen die Blutung anhalten, unter anderen vermöge des Reizes, den es auf den Uterus ausübte, auch die Geburt beschleunigen konnte.

  Die schon von den Methodikern gerühmte Wirkung auf die Conception wird von Serapion näher praecisirt. In dem oben citirten Abschnitte heist es weiter : "Und wenn es mit Butter gemischt und daraus ein Pessarium (die lateinische uebersetzung sagt "Nascale," worunter die aus Wolle gefertigten Zäpfchen insbesondere verstanden werden) nach der Reinigung der Menstrua applicirt wird, so verhindert es die Empfängniss, und wenn es im Tranke einer Frau Nach der Geburt gegeben wird, so macht es sie leicht empfänglich für die Conception."

  Als ein probates Mittel für die Conception finden wir übrigens das Oesypum auch bei abendländischen Aerzten des Mittelalters, für welche nach dem Umfange, den verschiedene mittelalterliche Autoren dem Capitel der Hemmung und Beförderung der Empfängniss gegeben haben in jener Zeit ein ganz besonderes Interesse bestanden haben muss. Zu den Autoren dieser Art gehört auch P e t r u s H i s p a n u s, der bekannte einzige zum Papste (Johann XII) promovirte Arzt, dessen in Cöln als Lehrbuch der Medicin studirenden Jugend bis 1500 dienende T h e s a u r u p a u p e r u m verschiedene keineswegs infaillible Massregeln zur Sicherung der Conception gibt, z. B. : "In ipso coitu stet mulier elevatis cruribus et in actu seminandi applicet totum cogitatum ad retinendum, et circa finem coitus attrahat virtute matricis semen quantum poterit et dormiat resupino junctis fortiter cruribus, et sic facit concipere." Unter den Mitteln zur Förderung der Conception, die drei Quartseiten füllen, findet sich bei Petrus (in der Ausgabe des Serapion von 1525. fol 256) auch ein Oesypum enthaltendes Pessarium, dessen Formel lautet:

  "Pessarium nobile et probatum secundinam et dolorem matricis tollens e t v a l d e i m p r a e g a n s. Rec. Cerebri cervi vel vituli, I s o p i h u m i d i, Butyri cocti caprini et vaccini, Amygdal., Storacis liquidae: Mellis aa drachmam unam, Olei de spica dr. 2. Terantur sicca et liquefiant humida et misceantur cum lana. Tribus diebus consumatur, d e i n d e c o e a t i p s a et procul dubio impraegnabitur !(?)."

  Wie bereits L i e b r e i c h hervorhob, hat man das Oesypum im 16. Jahrhundert auch gegen S y p h i l i s in Anwendung gezogen. Nach den Versen des F a c a s t o r o:

"Interea si membra dolor convulsa maligna
Torqueat, oesypo propera lenire dolorem
Mastichinoque oleo"

  sind es die Dolores osteocopi, welche die Anwendung indiciren. Indessen fehlt es auch nicht an Belegen für den Gebrauch gewisser aus Oesypum hergestellter Pflaster zur Resolution syphilitischer Geschwülste. So hat J o h. d e V i g o ein weiches Oesypumcerat eigener Composition, das "ruborositates ac duritias schlirotieas (d. i. scleroticas, von sklhros hart) a morbo gallico evenientes" mirabiliter resolvire und zerstöre (Jo. de Vigone Opera. Lyon, 1525).

  Im Allgemeinen aber kehrt in den medicinischen Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts in Bezug auf die Verwendung des Oesypum dasjenige wieder, was Dioskorides und Plinius darüber gemeldet hatten. "Emollit, resolvit, calefacit, dolores sedat, luxatis, contusis et similibus convenit." Diese Worte der Schroeder'schen Pharmacopoe nennen die Indicatioalen, bei denen man im Laufe von 1600 Jahren verblieb, ohne jene jemals durch Prüfung des Oesypum ohne Beimengungen erhalten zu haben, indem man nur die Erfahrung mit Pflastern, von denen Oesypum nur einen beschränkten Theil bildete, dem therapeutischen Handeln zu Grunde legte.

  Besonders häufig im 16. und 17. Jahrhundert findet sich die vermutlich auf Galen sich stützende Anwendung bei Verstauchungen und Contusionen, z. B. bei F e r n e l i u s, Methodus medendi libr.VL. c. 4 : "percussis et contusis peculiariter occurrit."

  Eine bisher nicht erwähnte Anwendung habe ich in einem sehr späten Werke, das in ausführlicher Weise über Oesypum handelt, aufgefunden, in den Boecler'schen Ausgabe der C y n o s u r a M a t er i a e m e d i c a e des Leydener Professors P a u l H e r m a n n. In dem von Boecler bearbeiteten Supplementbande findet sich p. 831 ein Artikel über Lana succida, worin von schwarzen Schafen gewonnener Wolle der Vorzug gegeben und vom Oesypum hauptsächlich nach dem Commentare des Matthiolus zum Dioskorides gehandelt wird. Am Schlusse des Artilcels findet sich die Bemerkung : "Im tumoribus faucium et angina solet adhiberi aeque ac Lena succida." Ich habe nicht genau ermitteln können, woher die Angabe stammt, vermuthe aber, dass Boecler sich auf Pomet`s Histoire des drogues stützt, in der zwar nicht die Anwendung gegen Angina als Thatsache hingestellt, aber doch die Brauchbarkeit des Mittels ad hoc betont wird. Ich lasse die Stelle hier folgen :

"Les médecins ordonnent assez souvent à ceux qui ont des fluxions de gorge de se servir de l´huile de lys et de camomille, avec la laine grasse, surtout de la noire qui se prend dans les cuisses, à la gorge des moutons, a cause de cette graisse qui s'y rencontre; c'est le sujet, que ceux qui ne pourront trouver de cette sorte de laine, pourront se servir de l'Oesipe, fondue dans les huiles de lys et de camomille."

  Die letzte ausführliche Bearbeitung der Anwendung des Oesypum in Kankheiten finde sich in der Materia medica antiqua et nova repurgata ac illustrata von J o h a n n e s R u t t y (London und Rot-erdam, 1783). Der Artikel über Oesypum recapitulirt indessen nur die Angaben der Alten und enthält nichts Eigenes.

Die mit Oesypum bereiteten Arzneiformen.

  Es ist schon oben auf die Ansicht neuerer Autoren hingewiesen, dass das nach den Griechisch-Römischen Vorschriften bereitete Oesypum grössere Mengen von Wasser, nach. V u l p i u s selbst mehr als das Liebreich'sche Lanolin enthalten habe. Mag dies der Fall gewesen sein oder nicht, so lässt sich doch mit Bestimmtheit behaupten, d a s s b e i d e r B e r e i t u n g d e r A r z n e i f o r m e n, z u d en e n O e s y p u m im A l t e r t h u m e b e n u t z t w u r d e, d e r W a s s e r g e h a l t d e s M i t t e l s g a n z i r r e l e v a n t i s t. Es gilt dies nicht bloss für die Pflaster (Cerata) und Pessariën, in welche es vorzugsweise Eingang fand, sondern auch für die eigentlichen Salben und die unter den Begriff der Salbe fallenden Pessi, die man unter seiner Mitwirkung bereitete. Es ist sofort klar, dass, wenn z. B. C e l s u s eine Mischung von Oesypum mit Rosenöl (rosa, bei späteren Schriftstellern wie Muscio oleum roseum, d. h. Olivenöl, in dem Rosenblätter eine Zeit lang macerirt wurden) oder D i o s k o r i d e s eine solche mit Gänseschmalz vorschreibt, das Wasser im Oesypum nicht in Betracht kommt, aber auch für Salbenmischungen, wo Chalcanthis (C e l s u s)oder Pompholyx (Plinius) mit Oesypum und Rosencerat vereidigt werden, trifft das Nämliche zu. Selbst in den flüssigsten der antiken Formen, den unter dem Namen A c o p a zusammengefassten Einreibungen, die man gegen die Folgen von Ueberanstrengung der Mustern gebrauchte, sind da wo Wollfett in ihre Bereitung eingeht, fette Oele und nicht Wasser das Verflüssigungsmittel. Diese Irrelevanz des Wassers in der Bereitung von Praeparaten des Oesypum geht aber durch die ganze Zeit, in der es überhaupt dazu benutzt wurde, also bis zur Spanischen Pharmakopoe von 1817, in welcher der "Oesypus praeparatus", also bestimmt ein sehr wasserreiches Wollfett, einen Bestandtheil des E m p l a s t r u m P l u m b i m u c i l a g i n e u m c o m p o s i t u m bildete. Die Vorschrift dazu befiehlt gradewegs, Harz, Wachs und Terpenthin bei mässigem Feuer zusammenzuschmelzen und das vorher mit einer Lösung von Hausenblas zusammengeriebene Oesypum so lange damit zu digeriren, bis die Flüssigkeit aufgezehrt ist ("ad humiditatis consumptionem").

Es liegt selbstverständlich nicht in meiner Absicht, hier die Recepte zu sämmtlichen Pflastermassen, Pessarien u. s. w.; zu denen seit Celsus und Dioskorides Oesypum benutzt worden ist, zu reproduciren, und ich beschränke mich auf eine kurze Uebersicht unter Hervorbebung des Wichtigsten.

Die Reihe des Oesypumpflasters beginnt mit dem schon erwähnten E n n e a p h a r m a c o n des C e l s u s, das eine Schmelze von Wachs, Talg, Honig, Fichtenharz, Myrrha, Oleum rosatum, Hirschmark (oder Kälber- oder Rindermark, wenn Hirschmark fehlte), Oesypum und Butter zu gleichen Theilen darstellt. Das Pflaster findet sich in O r i b a s i u s' Synopsis (III, 2. ed. Stephanus 35. A.) wieder, doch ist an Stelle von Myrrha Ricinusöl (Kikinon) getreten und das Mischungsverhältniss geändert, wodurch das Pflaster weicher wird und wie Oribasius angibt, nicht bloss bei äusseren Wunden, sondern auch bei Verhärtungen des Uterus und Uteringeschwüren verwendbar ist.Es ist ein Pessus geworden, dem der P e s s u s d e n o v e m s p e c i e b u s qui facit ad vulnera recentia matricis des M u s c i o (ed. Rose p. 127), der jedoch kein Ricinusöl enthält, nahesteht. Der P e s s u s e n n e a p h a r m a c u s d e s P a u l u s v o n A e g in a (ed. Stephannus p. 694) enthält kein Oesypum und stimmt mit dem E m p l a st r u m e n n e a p h a r m a c u m v o n H o r u s M e n d e s i u s bei Aëtios (ed. Steph. 772) überein, das als Eiterungs- und Erschlaffungsmittel bei Wunden, aber auch als Pessus zur localen Behandlung von Gebärmutterleiden dient.

Neben dem oesypumhaltigen Neunmittelpflaster gab es schon frühzeitig ein V i e r m i t t e l p f l a s t e r mit Wollfett. Ein solches T e t r a p h a r m a c o n erwähnt ein Zeitgenosse Galen's, der unter Marcus Aurelius lebende Rhetor A r i s t i d e s, der auf einer Reise in Griechenland erkrankte und in einer Art Naturheilanstalt unter anderem mit einem Magenpflaster behandelt wurde, von dessen vier Bestandtheilen er nur zwei, Oesypum und Pech, verräth (vgl. die Ausgabe von Dindorf p. 495).

  In den medicinischen Schriften des Alterthums, bei Celsus, Galen, Soranus, Oribasius, Alexander von Tralles und Paulus Aegineta kommen verschiedene als Tetrapharmacon bezeichnete, meist auch mit dem Zusatze "basilicum" geschmückte Viermittelpflaster vor. Scribonius Largus hat ein T e t r a p h a r m a c o n A r i s t i c h i r u r g i. Keiner dieser Pflaster enthält Oesypum. Dagegen findet sich im Mittelalter bei Mesüe jun. ein oesypumhaltiges Tetrapharmacon unter der Bezeichnung I s o p i c e r a t u m d e sc r i p t i o n e D e m o c r i t i, aus gelbem Wachs, Terpenthin, 0leum Iridis coctum und Oesypum bestehend. Der Autor dieses ist übrigens bestimmt nicht der um 460 vor Chr. in Abdera verstorbene lachende Philosoph Democritus, sondern der im 1. Jahrh. n. Chr.lebende, von Galen oft citirte Dichterarzt D a m o c r a t e s, von Plinius S e r v i l i u s D e m o c r a t e s genannt, der in einem Gedichte über die Bereitung der als Acopa benannten Einreibungen des Oesypum mit dem Trimeter gedenkt :

Ths Attahs pempousi touton oisupon.

  Das gleiche C e r a t u m v e l emplastrum diatessaron hat auch J oh a n n e s A n g l i c u s in der Rosa Anglica (Augsburg, 1595. p. 665)

  Von Galen wird auch eine grössere Menge oesypumhaltiger Acopa angeführt, z. B. ein A k c o p o n b a r b a r i c u m, A. f o e t i d u m, A. Quadrati (griech. Text); er theilt ausserdem das auf die Acopa bezügliche Stück des Lehrgedichts von Damocrates mit, aber das Viermittelpflaster dieses Autors habe ich bei Galen nicht aufgefunden. Im Mittelalter vindicirt man Galen vielfach ein ihm eigenthümliches "Isopcerat," ohne dass für ein solches eine Formel in den uns erhaltenen Galenischen Schriften angetroffen wird. Allerdings findet sich eine schon oben angeführte Stelle, worin Galen von einem Ceratum Oesypi (griech. Text) redet, das er für ein jedermann bekanntes und ausserordentlich viel bei Entzündungen im Hypochondrium gebrauchtes Mittel erklärt: kai toinun h autou (d. i. oisupou) khrwth tvn apasi gignwskomenown farmakwn, kai crvntai te pampolla kata tvn en upocondriw flegmonvn tauth. Aber weder an dieser Stelle (ed. Kühn. X. 768) noch auch an anderen steht eine Bereitungsvorschrift, und auch bei späteren griechischen und römischen Tutoren haben wir Aufklärung nicht gefunden. Nur S o r a n u s (p. 215 der Ermerins´schen Ausgabe) hat ein oisupou khratoeides, was wohl mit Oesypi ceratum identisch ist, und einen davon vielleicht nur in der Consitstenz abweichenden pessos di oisupou. Das mittelalterliche Isopi Ceratum descriptione Galeni bei Mesuë enthält ausser dem an Menge die übrigen Bestandtheile überragenden Wollfett, Wachs, 0leum irinum und Oleum Chamomillae infusum, Harz , Terpenthin, Crocus und Spica nardi: von Interesse wird es dadurch, dass Adolph Occo III es in die Augsburger Pharmakopoe aufnahm und es sich durch die Ausgaben des 17. Jahrhunderts glücklich hindurchgeschmuggelt hat, obschon es vermutlich nur auf dem Papiere stand, da sich nach der Bereitungsweise ein ordentliches Cerat kaum herstellen liess, wenn das Praeparat nicht mehr oder weniger anbrannte. Schon vor 1560 war übrigens, wie aus dem Luminare majus ersichtlich, dies Cerat obsolet und durch ein anderes Oesypumcerat ersetzt, das Cerat des Philagrius, das wir weiter unten betrachten müssen. Ein einfaches Oesypumcerat aus dem Mittelalter findet sich in der Rosa Anglica (ed. 1595. pag. 879). Ein fast ganz dem Mesuë'schen Ceratum Isopi Galeni entsprechendes hat de Vigo; er empfiehlt es "ad duritias et nodationes membrorum et duritias hepatis et splenis et dolores eorum doloresque matricum et ad duritias junctuarum et nervorum cum mollificatione ossium." Ein von Galen aus der Schrift des H e r a s peri tvn farmakwn sunJesews mitgetheiltes Pflasterrecept mit Oesypum, dass vielfach mit kleinen Veränderungen, aber stets unter Beibehaltung des Wollfetts in spätere Schriftsteller (Oribasius, Aëtius, Paulus von Aegina) überging, betrifft das E m p l a s t r u m m a c e d o n i c u m A z a n i t a e, bei Paulus A c o p o n A z a n i t a e genannt. Wir heben es hervor, weil es im Wesentlichen gegen alle krankhaften Zustände gebraucht wird, bei denen man auf die Heilwirkung des Oesypum vertraute und weil dieselbe, nur in der Menge der festen und halbflüssigen Fette wechselnde Vorschrift bald als Pflaster, bald als Salbe, bald als Einreibung benutzt wurde. Es heilte bösartige Geschwüre, Gragrän, Fisteln, frische Wunden, Verbrennungen und Erfrierungen als Malagma, diente bei Uteringeschwüren als Pessus und bei Muskel und Sehnenleiden als Acopum.

  Vielfältigkeit der Verwendungsweise kommt auch dem wichtigsten Oesypumpräparate, das nicht unerheblich jünger als die Galenischen ist, aber auch dafür länger als diese gedauert hat, zu. Es ist dies das bereits genannte, dem P h i l a g r i u s, einem Arzte des 4. Jahrhunderts n. Chr.(nicht vor Christus, wie das Biogr. Lexicon sagt) zugeschriebene Cerat, das Mesuë jun. mit geringen Abänderungen dem bei Paulus von Aegina mitgetheilten M a l a g m a P h i l a g r i a n u m entnommen hat, während beiläufig bemerkt ein von Mesuë als I s o p i c e t a t u m P a u l i benanntes Cerat unter den Vorschriften des Paulus Aegineta nicht aufgefunden werden kann. Schon vor Mesuë haben arabische Schriftsteller das Pflaster warm empfohlen. A v i c e n n a (Lib. 1. Sum. 1.Tract. 11) rühmt das Emplastrum Philagrii bei Magen- und Leberschmerzen, bei Abscessen, ausserdem auf Wolle gestrichen als Pessus bei Schmerzen der Gebärmutter. Die nämliche Verwendung hat das "Dhimad Philagrii" bei Serapion. Das aus diversen Harzen und Balsamen (Bdellium, Ammoniacum, Styrax, Terpenthin) und Fetten (Cera, Adeps anseris, Hedufla crurum vaccinorum), mit ü berwiegenden Mengen Oesypum componirte, mit 0leum nardinum parfümirte und mit Crocus gefärbte Pflaster des Mensuë entspricht wesentlich den Pflastermischungen 175 und 176 bei Nicolaus Myrepsus, die aber einfach als Oesy- pumpflaster bezeichnet werden. Ceratum Philagrii war im 15. und 16. Jahrhundert ein sehr beliebtes Pflaster. Das Luminare majus sagt davon : "Hoc laudant magis nostri doctores". Die späteren Intepreten des Mensuë, S y l v i u s, M a n a r d u s, C o s t a e u s, stellen das Pflaster sämmtlich über das einfache Wollfettcerat, an dessen Stelle es auch B r a s s a v o l u s und C r o n e n b u r g empfahlen. Occo nahm es als Ceratum Oesypi Philagrii in die Augsburger Pharmakopoe auf. Manardus sowohl als Sylvius erklären es für besonders wirksam bei syphilitischen Verhärtungen, wobei sie unter Umständen Zusatz von Cinnabaris anrathen.

  Ausser diesen Ceraten, deren eigentliche Basis das Oesypum ist, gibt es bei den Autoren des Alterthums noch eine Menge von oesypumhaltigen Formeln, in denen das Oesypum der Menge nach nicht über die sonstigen Fette prävalirt. Die meisten solcher Formeln liefern Muscio, Aëitius, Paulus Aegineta und Myrepsus. Muscio hat ausschliesslich zur Einführung auf Wolle in die Geschlechtstheile bestimmte Mischungen, in denen entweder Hyssopus oder Succus Hyssopi (möglicherweise Saft des Isops) eingehen, im Ganzen 9 unter 60 Pessi, darunter einen Pessus ad conceptionem A n e t h o n i s philosophi und verschiedene anonyme Pessi zur Empfängniss. Aëtius hat u. a. ein oesypumhaltiges Acopum martiatum, ein Unguentum A s c l e p i a d i s und ein Emplastrum fulvum P i s c a t o r i s ; Paulus von Aegina ein Schweinespeckpflaster (Emplastrum e perna) mit Wollfett und ein Pflaster P h y c o t i c h e, das zur Vertreibung von Schmerzen am Anus bestimmt ist. Bei Nicolaus Myrepsus treffen wir von oesypumhaltigen Arzneiformen ein Unguentum acopum e castore ad trementes, ein Unguentum Sti. Barbari, ein Unguentum acopon Heracles dictum, ein Unguentum acopum A r t e m i d o r i Pergaei, ein Emplastrum ad lienem jecureque induratum, ein EmPlastrum ex oesypo ad omnem duritiem probatum und ein Hedricum d.i. Suppositorium liparum u.a. m.

  Indem ich von der speciellen Betrachtung dieser absehe, will ich nur noch einige Worte über ein Pflaster sagen, das ursprünglich nicht oesypumhaltig war, aber im Mittelalter zu einem Oesypumpraeparate von Bedeutung wurde, als solches lange in hohen Ehren stand und bis zu dem gänzlichen Verschwinden des Oesypum aus den Pharmakopöen in diesen verblieben ist. Es ist dies das D i a c h y l o n m a g n u m des Mesuë, in den mittelalterlichen Uebersetzungen arabischer Schriftsteller gewöhnlich D i a q u i l o n, seltener D i a c u l o n geschrieben. Es ist hinreichend bekannt, dass die Bezeichnung Diachylon dem griechischen dia culvn entspricht und Bleiglättepflaster bedeutete bei dessen Bereitung wässrige Auszüge von Pflanzen zugesetzt werden. Der Erfinder dieser combinirten Pflastermassen ist, wie Galen (ed. Kühn. XIII. 886) ausführlich berichtet, M e n e k r a t e s (vgl. S p r e n g e l, Gesch. der Arzneikunde. 2. Aufl.. Bd. II. S. 66), der sie in einer dem Kaiser Tiberius gewidmeten Schrift Autokatwr ologammatos axiologwn farmakwn (d. h. in einer Schrift, in der die Dosen der Mittel nicht mit Ziffern, sondern ausgeschrieben mit Worten angegeben waren) zuerst beschrieb. Solche Emplastra dia culvn (in lateinischer Uebersetzung e succis), zu deren Herstellung ausser Althaea noch Linum und Fenugraecum genutzt wurden, finden sich bei Scribonius Largus, Galen, Oribasius, Aëtius, Alexander von Tralles, Paulus Aegineta und Nicolaus Myrepsos, enthalten aber sämmtlich kein Oesypum. Auch fehlt dies ganz den Diachylonmischungen früherer arabischer Schriftsteller, wie Avicenna, Ali ben Abbas, Serapion und Rhazes. Manche dieser Mischungen haben übrigens, beiläufig bemerkt, Salbenconsistenz, so dass das jetzt viel benutzte U n g u e n t u m D i a c h y l o n H e b r a keine neue Erfindung ist, sondern schon im Alterthume gebraucht wurde. Der Zusatz von Oesypum ist das Werk von Mesuë jun., der übrigens ausserdem noch einen Stoff hinzufügte, der den Pharmakologen und Apothekern des 15. und 16. Jahrhunderts viel Kopfzerbrechens gemacht hat. Mesuë hatte nicht genug an dem Schleime von Leinsamen und Fenugraecum, er ersetzte den bei ihm fehlenden Eibischschleim durch Schleim von Feigen und Rosinen, Saft von Iris und Scilla, und endlich durch "G l u t e n A l z a n a c h." Das ist die Droge, über welche Seine Interpreten nicht einig werden konnten. Manche erklären Alzanach für Althaea, weil diese in der Vorschrift von Mensuë fehlt, Andere für Viscum (Vogelleim), noch, Andere für den Schleim, den die Schnecken absondern (vgl. M e l i c h, De recta medicamentorum parandorum ratione ed. Keller.Witeb. 1586. p. 338), die meisten erklären Alzanach für den Namen eines Fisches und deuten es als Ichtyocolla. Solange wir keinen arabischen Mensuë kennen und nicht wissen, wie das Wort geschrieben wird, weil das Arabische für z verschiedene Buchstaben hat, ist das Räthsel nicht zu lösen, möglicherweise handelt es sich nur um eine Apposition mit dem Artikel al tsanâjâ d. h. gut, sehr tauglich. Die Mensuë`schen Vorschrift ging in das Antidotarium des Nicolaus I raepositus und auch mit einigen Abänderungen, jedoch mit Oesy- pum, in das des bekannten Chirurgen Johannes de Vigo, später auch in das Ricettario di Firenze (als Diaquilon maggiore) und andere italienische Arzneibücher, in Deutschland in das Dispensatorium des Valerius Cordus und in Occo's Pharmacopoea Augustana über. Occo bemerkt, es führe seinen Namen "Magnum", weil es mehr als die gewöhlichen Diachylonpflaster bei Entzündungen und Verhärtungen schmerzstillend, erweichend und zertheilend wirke und erkennt dabei der von de Vigo modificirten Formel den Preis zu. Im 17. Jahrhundert wurde das Oesypum in dem Pflaster verschiedener Pharmacopöen fortgelassen, z. B. schon 1615 im Antidotarium Bononiense. Am längsten hat es sich in Spanien erhalten; sein Namen fungirt als Nebenbezeichnung des oben erwähnten Emplastrum oxydi plumbi mucilaginosum der Pharmacopoea Hispana von 1817, des letzten aller Oesypumpraeparate, neben dem übrigens noch ein mit Zusatz von Bdellium, Ammoniacum, Galbanum und Sagapenum und mit in Wein gelösten Gummi aus jenem bereitetes E m p l a s t r u m o x y d i p l u m b i g u m m a t u m (Diachylon gummatum) als officinell aufgeführt ist. Mit der Beseitigung dieser beiden Pflaster hatte auch das letzte Stündlein für den Vorläufer des Lanolins geschlagen.

ERGEBNISSE

  Werfen wir noch einmal einen Blick auf die aus unseren Untersuchungen hervorgehenden Resultate, so sehen wir, dass die cosmetische und medicinische Verwendung eines Produkts aus der Schweisigen, nicht entfetteten Wolle der Schafe zur Zeit des Kaisers Augustus (Ovid, Celsus)allgemein üblich und so verbreitet war, dass es einen nicht unbedeutenden Handelsartikel bildete. Die Angaben über die Extistenz und den medicinischen Gebrauch dieses Produkts bei den Hellenen schon viel früher (450-400 v. Chr.) sind unsicher, da die vermeintlich dafür sprechenden Stellen grieischer Schriftsteller (Herodot, Hippocrates, Aristophanes) sich auf Schweisswolle (eria oisuphra), nicht aber auf das Wollfett beziehen, neben welchem die dasselbe enthaltende Wolle in späterer Zeit viel gebraucht wurde (Galen; Aretaeus, Alexander von Tralles u. A.).

Dem medicinischen Gebrauche lag in keiner Weise der Gedanke zu Grunde, der als der eigentliche Erfindungsgedanke bei der Herstellung des jenem Produkte des Alterthums analogen Lanolins durch L i e b r e i c h bezeichnet werden muss, die Gewinnung eines Materials zur Bereitung weisser Salben mittelst Emulsionirung gereinigte Wollfetts mit Wasser. Die Thatsache, dass das bei den verschiedenen von D i o s k o r i d e s und P l i n i u s beschhriebenen Verfahren zur Abscheidung des Wollfetts gewonnene Product durch Verreiben mit Wasser weiss werde, war schon den Alten bekannt, wurde aber nur zur Erkennung seiner Identität, nicht aber zu pharmakotakischen Zwecken benutzt. Die Bereitungsverfahren zur Darstellung der verschiedenen von mir besprochenen Wollfettpraeparate von den Zeiten des Celsus an bis zum zweiten Decennium des 19. Jahrhunderts lassen das in dem Producte an sich vielleicht vorhandene Wasser als völlig irrelevant erscheinen, und zwar nicht allein bei den vorzugsweise gebrauchten Pflastern und Ceraten (Enneapharmacon, Tetrapharmacon, Ceratum oesypatum Galeni und Philagrii, Diachylon magnum etc.), sondern auch bei den weicheren Formen, namentlich den in der gynäkologischen Praxis viel verwendeten Pessi S o r a n u s, M u s c i o 1), P a u l u s v o n A e g i n a u. s. w.) und den als Akcopa bezeichneten Einreibungen der Alten bei Muskelanstrengungen (D a m o k r a t e s, G a l e n u. s. w.). Nicht die Rücksicht auf die der Alten unbekannte Verwendbarkeit gänzlich gereinigten und neutralen Wollfetts zur Bereitung von Salben, sondern der Glaube, dass das Fett der Schafwolle besondere Heilwirkungen bei bestimmten Krankheiten habe, war für die medicinische Verwendung in alter Zeit massgebend.

  Die Indicationen für die medicinische Verwendung sind zum grossen Theile nicht auf die Erkenntniss von Wirkungen des allein angewendeten Wollproducts basirt, sondern auf die Wirkung der Arzneiformen, in denen man dieses verwandte. Die bei der Benutzung zu den sog. Acopa hervortretenden Heilwirkungen bei Muskelanstrengung und Rheuma waren sicher nicht specifische Effecte des Wollfetts, sondern bei der Application des Acopon ausgeübten Friction und Massage. Bei der Einwirkung auf den Uterus kam das Wollfett des Pessus weniger in Betracht als das Pessarium, auf welchem es eingeführt wurde. Die merkwürdigen Wirkungen auf die Conception, die man im Mittelalter dem Wollfett beilegte, die Effecte bei Syphilis, die man im 16. Jahrhunderte constatirt haben wollte, müssen wir dem gläubigen Gemüthe der damaligen Aerzte zu Gute halten.

  Es ist nicht zu bezweifeln, dass das Wollfett, das zur Zeit der ersten römischen Caesaren im Handel vorkam, besonders das geschätzteste von Attika, obschon es nach den Darstellungsverfahren weder weiss noch neutral sein konnte und wahrscheinlich nur selten ganz frei von fremden Verunreinigungen war, doch weit besser als die im Mittelalter und in dem 16., 17. u. 18. Jahrhunderte in die Apotheken gelangenden Praeparate war, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts gradezu als stinkend bezeichnet wurden. In dieser Verschlechterung hat man den hauptsächlichsten Grund des Verschwindens des Wollfettes aus dem Arzneischatze zu erblicken. Mesuë jun. suchte durch ein von der alten Darstellung wesentlich abweichendes und diese vereinfachendes Verfahren die Bereitung aus den Händen der Schafhirten in die der Apotheker zu verlegen, ohne damit jedoch die Herstellung eines geeigneten Praeparates zu erreichen. Die Wiedereinführung der Dioskoridischen Bereitungsvorschrift durch die Pharmakopoen des 16. Jahrhunderts bürdete den Apothekern grosse Mühe und Verdriesslichkeit auf und führte schliesslich zu einem energischen Proteste Z w e l f e r' s in der Pharmacopoea Augustana reformata gegen die Beibehaltung des Mittels in den Arzneibüchern. Nichtsdestoweniger hat sich das Produkt, im Wesentlichen nach der esuë´schen Vorschrift bereitet, länger gehalten als bisher allgemein angenommen worden ist, indem es noch in der Spanischen Pharmakopoe von 1817 sich findet, und zwar wegen der darin enthaltenen, eine vereinfachte Formel des Emplastrum diachylon magnum bildenden Vorschrift zum Emplastrum oxydi plumbi mucilaginosum. In Frankreich führte der Codex medicamentarius das Wollfett als l'oesipi noch 1758 unter den Simplicia auf.

  Will man für das als Vorläufer des Lanolins anzusehende Wollfettproduct einen Rassischen Namen verwenden, so ist die lateinische Form O e s y p u m zu bevorzugen. Die Form O e s y p u s ist von den Aerzten des 16. Jahrhunderts dem Griechischen oisupos nachgebildet worden. Die Form H y s s o p u s, mit welcher das Mittel in den Officien gewöhnlich belegt wurde, wobei man, um das Wollfet von dem Kraut Isop zu unterscheiden, dieses als "siccus" jenen als "humidus" bezeichnete, ist keine barbaro latinische, wie gewöhnlich gesagt wird, vielmehr lässt sich nachweisen, dass sie bereits von P l i n i u s und später von den verschiedensten griechischen und römischen Autoren gebraucht wurde. Sie stammt nicht von den Arabern, sondern ging von den Griechen an die arabischen Autoren über.

Ende




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