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Das Wollfett und seine Verwendung in der Heilkunde


In einer kleinen Broschüre, die von der Wollwäscherei und Kämmerei Döhren 1934 herausgegeben wurde, ist das damalige Wissen über Lanolin wiedergegeben. Aus heutiger Sicht deshalb teilweise veraltet aber immer noch ganz interessant zu lesen, denn vieles ist auch nach wie vor gültig.

Im Jahre 1972 wurde übrigens durch eine ausgeklügelte Finanzaktion das Ende der Woll-Wäscherei und Kämmerei Döhren besiegelt: Der damalige Wert der Aktien war deutlich geringer als der Wert der Grundstücke, die die Wollkämmerei besaß. So wurden gezielt die Aktien aufgekauft, um dann das Werk zu schließen und anschließend die Grundstücke an die 'Neue Heimat' mit gutem Gewinn zu veräußern. Weitere Informationen dazu findet man unter Die-Woll-Waescherei-und-Kaemmerei-WWK.html. Die Deutsche Lanolin Gesellschaft kaufte damals den Kundenstamm und die Marke Golden Vliess.


Z u r   E i n f ü h r u n g.

In der Kriegs und Nachkriegszeit sind an Stelle des altbewährten Wollfettes in vielen Rezeptsammlungen andere, billigere Salbengrundlagen, insbesondere die amerikanische Vaseline, in weitem Umfange verwendet worden. In der heutigen Zeit hat diese Verwendung, soweit sie nicht ärztlich angezeigt ist, um so weniger Berechtigung, als die Wollfette praktisch in der Rezeptur nicht mehr teurer und ausschließlich Erzeugnisse der deutschen Industrie sind. Die besonderen Eigenschaften und den hohen Wert der Wollfette als Salbengrundlage wollen wir mit der nachfolgenden Abhandlung in Erinnerung bringen. Wir hoffen damit eine Anregung zur Wiederbelebung der Wollfett Verwendung geben zu können. Unser Plan ist, den Rezeptanhang von Zeit zu Zeit, auf den neuesten Stand des Wissens ergänzt, nachzuliefern und bei dieser Gelegenheit jeweils über die jüngsten Ergebnisse der Forschung auf dem Gebiete der Pharmakologie der Salbengrundlagen zu berichten.
      Möge sich die kleine Schrift in der Hand des Arztes als Wegweiser und Ratgeber bewähren.

Woll-Wäscherei und Kämmerei in Döhren bei Hannover.

 

Das Wollfett in der alten Medizin
und seine Wiedereinführung
in den Arzneischatz.

      Wollfette waren schon im Altertum1) bekannt und standen besonders bei den Römern in hohem Ansehen. Sie wurden hauptsächlich aus Athen bezogen und waren vorzugsweise das Erzeugnis gewisser Ortschaften, wahrscheinlich solcher, in denen Seife und Seifenwurzel nicht gebräuchlich waren.
      Über das Verfahren der Gewinnung der Wollfette berichtet Discorides in seiner Materia medica (Lib. 2, Kap. 66) mit einer, für die damalige Zeit bewundernswerten Ausführlichkeit und Genauigkeit.
      Auch Plinius der Ältere erwähnt Ösypus (der alte Name für Wollfett) und schildert kurz seine Darstellung. Er hält das von attischen Schafen stammende Ösypus für das Beste. Er vermutet, daß an der Erzeugung des Ösypus der in der Wolle angesammelte Schmutz nicht weniger beteiligt sein dürfte als der Schweiß der Schafe.
      Das Wollfett kam ungereinigt in den Handel und diente teils kosmetischen, teils therapeutischen Zwecken. Diese Verwendung erscheint uns verwunderlich, da das ungereinigte Fett einen außerordentlich widerlichen Geruch besitzt.
      Celsus (De medicina) gibt verschiedene Rezepte wieder, die Ösypus enthalten: Emplastrum enneapharmacum, von dessen 9 Bestandteilen neben Butter, Ochsenmark, Wachs und Unschlitt, Ösypus die gestaltgebende Mischung bildet. Auch gegen Fissura ani wird eine Salbe angegeben, mit Ösypus als Hauptbestandteil.
      Galen konnte sich für Ösypus nicht begeistern und war der Meinung, es habe keine Vorzüge vor anderen Fetten.
      Plinius der ältere führt als charakteristische Eigenschaft von Ösypus an, daß es mit Wasser verrieben nicht flüssig, sondern weich wie Cerussa werde.
      Im Mittelalter wurden Wollfette mit wechselnder Häufigkeit gebraucht. In Deutschland waren sie weniger bekannt, dagegen in Frankreich noch bis zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts verwendet.
      In England beschreibt Culpeper (1675) die Darstellung des Wollfetts fast in derselben Weise wie Discorides.
      Am längsten blieb das Wollfett in Spanien im Gebrauch; es war dort bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts offizinell.
      In den ersten acht Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts hatte Wollfett nur noch historisches Interesse. Man wird diese Tatsache wohl mit der fortschreitenden Technik der Wollwäscherei erklären müssen. Durch die Verwendung von Seife, Pottasche und Soda wurde eine immer weitergehende Reinigung der Wolle erstrebt und erreicht. Das Wollfett wurde dabei in seiner Konstitution verändert und mit dem Waschwasser weggeschüttet.
      In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts schuf die schnelle Entwicklung der technischen und der organischen Chemie die Voraussetzungen für die Gewinnung eines Wollfettes, das den Ansprüchen der heutigen Heilkunst gerecht werden konnte.
      Als erster studierte Chevreuil die Zusammensetzung des Wollwaschwassers. Auf den Wert des im Wollwaschwasser enthaltenen Wollfettes wurde man aber erst 11 Jahre später durch die Arbeiten von Vöhl aufmerksam. Er gab als erster ein Verfahren zur Gewinnung des Wollfettes an. Dabei wurden die Fettstoffe durch Chlorcalcium niedergeschlagen und die abfiltrierten Kalkseifen mit schwefelsäurefreier Salzsäure unter Durchleitung von Dampf zersetzt.
      Von den folgenden Verbesserungen ist die wichtigste das Abzentrifugieren des Wollfetts aus den Waschwässern. Dieser Methode bediente sich Otto Braun, der um das Jahr 1876 ein neues Verfahren angab. Das durch Zentrifugieren gewonnene Wollfett wurde zur Vorreinigung zunächst mit Wasser geknetet und dann durch Kochen mit Wasser weiter gereinigt. Nach dem Absetzen des Wassers wurde das Fett abgeschöpft, gekühlt, dann in Äther, heißem Äthyl- oder Methylalkohol gelöst und schließlich durch Filtrieren von noch vorhandenen Verunreinigungen befreit. Nach dem Verdunsten des Lösungsmittels knetete Braun das so gewonnene reine Wollfett noch einmal mit etwa 250% Wasser zusammen und erhielt so eine weiße, fast geruchlose Salbe, die er "Lanolin" nannte.
      In den folgenden Jahren war aber "Lanolin" trotzdem kein einheitlicher Begriff, sondern nur eine Sammelbezeichnung für alle Wollfettarten. Erst das D. A. B. 5. gab dem Begriff eine genaue Fassung.
      Eine andere Gewinnungsmethode hatte Liebreich. Er führte das Wollfett in eine dünne Milch über, gewann hieraus durch Zentrifugieren eine Magermilch und dicken Rahm, welch letzterer Lanolin in reinem Zustande enthielt.
      In der Festsitzung der Berliner Medizinischen Gesellschaft 1885 empfahl Liebreich2) Lanolin als eine neue Salbengrundlage. Als die vornehmsten Eigenschaften derselben hob er die große Wasseraufnahmefähigkeit hervor, wie sie bei keinem anderen Körper bekannt sei, ferner die Möglichkeit, Lanolin leicht in die Haut einzureiben und schließlich die Unzersetzlichkeit des reinen Präparates. Über das Vorkommen von Lanolin äußerte sich Liebreich dahin, es sei nach seinen Versuchen in keratinhaltigem Gewebe wie menschlichen Haaren, der Haut Vernix caseosa, dem Nierenfette, der Leber und dem Hautfette vorhanden. Diese Anschauung galt in den kommenden Jahren als unumstößlich.
      Nach 1885 war es Lossors3), der ebenfalls in einer Sitzung der Berliner Medizinischen Gesellschaft über seine ausgezeichneten Erfolge mit Lanolin berichtete. Wenn man eine Hautpartie mit Lanolin und eine weitere mit einem anderen Fett einreibe, so beobachte man sofort einen deutlichen Unterschied. Die mit Lanolin eingeriebenen Stellen seien fest, turgescierend, die mit anderen Fetten behandelten Stellen dagegen geschmeidiger. Im Gegensatz zu anderen Fetten verschwinde das in die Haut eingeriebene Lanolin fast augenblicklich. In die tote Haut eingepreßt durchsetze es das Stratum corneum und erscheine in den Maschen des Corium. Auch von empfindlicher und reizbarer Haut werde Lanolin gut vertragen.
      Lassar empfiehlt Lanolin als Salbengrundlage bei Krankheiten, bei denen eine Wirkung in die Tiefe erzielt werden soll, wie bei Psoriasis, Lupus, Herpes tonsurans u. a. m.
      Potschkowsk3) berichtet in derselben Sitzung, er habe von einer Jodkali Lanolinsalbe prompte und sichere Wirkung gesehen und fügte hinzu, schon nach Einreiben von 2 Gramm einer 10% igen Salbe sei beim Anstellen der Fluor Chloroformprobe leichte Verfärbung des Harnes eingetreten, die sich nach einigen Stunden gesteigert und tagelang angehalten habe. Kontrollversuche mit gewöhnlicher offizineller Jod Kaliumsalbe seien dagegen negativ ausgefallen.
      Bei derselben Gelegenheit teilte Köbner3) mit, daß einzelne Arzneikörper, wie z. B. Chrysarobin sich in Lanolin weniger lösen als in Mineralfetten.
      Mehrere Veröffentlichungen des folgenden Jahres (1886) befaßten sich mit dem Wert des Lanolins. Sie haben, ebenso wie die in den nächsten Jahren folgenden weiteren Äußerungen heute nur noch geschichtliche Bedeutung, weil bei der damals noch nicht einwandfreien Herstellungstechnik den Untersuchern ein einheitliches Prüfpräparat nicht zur Verfügung stand. Ein solches wurde erst mit fortschreitender Technik gewonnen und dann mit der Aufnahme in das Deutsche Arzneibuch standardisiert. Wir bringen einige dieser Äußerungen, um zu zeigen, wie sich das Wollfett, trotz zahlreicher Anfeindungen, dank seiner hervorragenden Eigenschaften, allmählich hat durchsetzen können.
      Stelvagon4) bemängelt in seinen klinischen Bemerkungen über den Wert des Resorcin, Ichthyol und Lanolin bei Hautkrankheiten den üblen Geruch des Wollfetts, der allerdings bei besseren Präparaten erst nach dem Verreiben auf der Haut auftrete. Ferner beklagt er den schwankenden Wassergehalt und die wenig günstige Konsistenz, die erst durch Zusatz anderer Fette besser werde. Er hebt aber auch die leichte Resorbierbarkeit von seiten der Haut lobend hervor.
      Im gleichen Jahr berichtet Buschinsky5), aus der Klinik Manassein, Lanolin übertreffe Adeps suillus nicht an Resorbierbarkeit, nur die größere Haltbarkeit verdiene besondere Beachtung. Gleichzeitig schneidet er die für die damalige Zeit sicherlich noch berechtigte Frage an, ob nicht Keime von sibirischer Pest in das Lanolin bei der Zubereitung übergehen könnten.
      Auch Ritter6) bestreitet die erhöhte Resorbierbarkeit von Lanolin.
      Eduard Stern7) teilt mit, daß Lanolin nicht schnell resorbiert werde und daher günstiger wirke als andere Salbengrundlagen. Es hafte einige Zeit an der Oberfläche, wo sich die pathologischen Veränderungen, die es beseitigen soll, befanden.
      Über 70 Fälle, die mit befriedigendem Ergebnis mit Lanolin behandelt wurden, berichtet auch W. G. Smith8).
      Im selben Jahre (1886) äußert sich noch einmal Liebreich9) über den medizinischen Gebrauch des Lanolins. Vor allem hebt er die große Wasseraufnahmefähigkeit (100%) der Cholesterinfette hervor und damit ihre Fähigkeit, eine weiße oder gelblich gefärbte Salbe zu bilden, die sich leicht in die Haut einreiben lasse und zur Einführung von Arzneistoffen in die Haut sehr geeignet sei. Wo Mangel an Hautfett Reizerscheinungen hervorrufe, wie beim Pruritus seniler Personen, habe sich das Einreiben mit neutralem Lanolin sehr bewährt. Ebenso günstige Erfolge ließen sich mit Lanolin bei Seborrhöa sicca capitis erzielen. Wörtlich setzt Liebreich hinzu: "Man darf auch nicht glauben, daß man mit Hilfe der Anwendung des Lanolins auf die Haut eine Resorptionskraft in der Weise geschaffen habe, wie es der Darm bei den meisten Substanzen darbietet, sondern es tritt nur dort ein besserer Erfolg ein, wenn man die Absicht hat an gewissen Körperteilen ein Medikament in hervorragender Weise einwirken zu lassen."
      In einem "Notizen über Lanolin" betitelten längeren Artikel äußert sich im selben Jahre Otto Philipp10) über die Mischbarkeit von Lanolin mit anderen Medikamenten.
Fränkell erklärte auf Grund seiner Untersuchungen das fertige Lanolin und ebenso das rohe Wollfett als einen vollkommen keimfreien Stoff. Auf Veranlassung von Liebreich stellte Gottstein11) eingehende Untersuchungen über "Das Verhalten der Mikroorganismen gegen Lanolin" an. Diese führten ihn zu der Auffassung, daß Lanolin an sich, teils wegen des zur Herstellung angewandten Verfahrens, teils auf Grund seiner chemischen Konstitution als ein gegen Mikroorganismen immuner Körper aufzufassen sei. Nun hatte Liebreich nachgewiesen, daß die dem Lanolin chemisch gleichen Cholesterinfette einen normalen Bestandteil der menschlichen und tierischen Epidermis bilden. Seine Anschauung, daß Lanolin in keratinhaltigem Gewebe enthalten sei, war noch unbestritten. So kam Gottstein (1887) in der oben genannten Arbeit zu der Auffassung, daß die Cholesterinfette der Epidermis die wichtigste Schutzdecke gegen äußere Infektion seien.
      Im nächsten Jahr äußerte Buzzi12) Zweifel an der Richtigkeit dieser Anschauung, ohne indessen näher auf den Fragenkomplex einzugehen. Dafür aber gelang es Santi13) als erstem nachzuweisen, daß keratinhaltiges Gewebe, Leber, Nierenfett, kein Lanolin enthalte und Liebreich seine Lehre auf falschen Voraussetzungen aufgebaut habe. Nach Santi's Feststellungen waren die Untersuchungen nur für die Gegenwart von Cholestol bzw. Cholesterin beweisend, diese aber war eine längst bekannte Tatsache. Die von Santi in derselben Arbeit im Gegensatz zu Liebreich verfochtene Ansicht, daß das Hautfett keine Cholesterin-Ester enthalte, wurde durch spätere Untersuchungen insbesondere von Unna und Golodetz widerlegt. Damit wurde die ursprüngliche Liebreich'sche Anschauung, die nach einem "Lanolin" überschriebenen Artikel von Santi (1892) endgültig erledigt schien, schließlich doch wieder als zu Recht bestehend anerkannt.
      Damit finden die theoretischen Erörterungen zur Frage der Lanolinanwendung und -wirkung einen gewissen vorläufigen Abschluß. Es finden sich dann in der Literatur nur noch einzelne mehr praktische Fragen erörtert. So bezeichnet O.Vulpius (1896) die sog. Michel'sche Salbengrundlage, bestehend aus festem und flüssigem Paraffin mit 10% Wollfett als besonders geeignet für Anreicherungen bzw. Lösungen von Salzen und Extrakten in größerer Menge in einer Salbe.
      Belagatthi16) nimmt 1899 die bereits anderweitig gemachten Versuche, fette Substanzen den löslichen Firnissen beizumischen, auf und betont in diesem Zusammenhange besonders die hervorragenden Eigenschaften des Lanolins, das sich mit allen Fetten in den verhältnismäßig größten Mengen mischen lasse und ohne Konsistenzverlust am meisten Wasser aufnehme. Es habe ferner die wertvolle Eigenschaft, nicht ranzig zu werden, nicht zu verseifen und werde gut von der Haut resorbiert.
      Sehr interessant ist eine Mitteilung von Albert Frickenhaus17) aus dem Jahre 1899. Im Anschluß an eine schwere Furunkulose erkrankte der Verfasser selbst mehrmals an sehr schmerzhafter Achseldrüsenschwellung. Die innerliche Anwendung von Jodkali und die örtliche Verabreichung von Quecksilber Karbolpflaster blieb ohne Erfolg. Eines Abends machte Frickenhaus in Ermangelung einer Zinkpaste eine ausgiebige Einreibung mit Lanolin Creme. Schon am nächsten Morgen sei die Schwellung an den Lymphdrüsen deutlich zurückgegangen und die Fortsetzung der Behandlung habe innerhalb weniger Tage Heilung gebracht. Der Erfolg dieser Lanolin Behandlung sei auch bei anderen Kranken dieser Art immer der gleiche geblieben. Ebenso habe sich in einem Falle von Angina tonsillaris mit erheblicher Mandelschwellung und sehr schmerzhaften Schlingbeschwerden Lanolin in Form eines Lanolin Priesnitzes* sehr gut bewährt. Der Verfasser hebt hier, wie bei dem ersten Fall, das schnelle Auftreten einer bedeutenden Schmerzlinderung als besonders angenehm hervor. Er fügt noch hinzu, daß die Wirkung des Fettes bei derartigen Zuständen den Ärzten der älteren Schule ohnehin nichts Neues sei.
      Im selben Jahre erörtert Unna18) noch einmal die Frage der Resorption des Wollfettes durch die Haut und kommt dabei zu dem Schlusse, daß die normale Hornschicht der Epidermis nicht von Salben durchdrungen werden könne.
      So verebbt mit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts die Literatur über das Wollfett mehr und mehr und versiegt im Anfang des 20. Jahrhunderts fast vollkommen. Das Wollfett stellt jetzt einen festen Bestand im ärztlichen Arzneischatz dar und verschwindet als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung aus dem Schrifttum. Daß trotzdem noch eine große Zahl von Fragen nicht beantwortet ist, sei hier angedeutet und später an anderer Stelle näher besprochen.

* Der Priesnitzwickel ist ein altes Heilmittel was zur Schmerzlinderung und Resorptionsförderung eingesetzt wurde. Er besteht aus acht Teile Essigsaure Tonerde und zwei Teile Arnica (Anm. d. Red.)  

L i t e r a t u r - V e r z e i c h n i s.

1)W u l f s b e r g, Therapeutische Monatshefte, 1887, Nr. 1. In dieser Arbeit finden sich alle Angaben über die Verwendung des Wollfetts in der alten Medizin.
2) L i e b r e i c h, Berliner Klinische Wochenschrift, 1885, Nr. 47.
3) L a s s a r, Sitzungsbericht der Berliner Medizinischen Gesellschaft, Berliner Klinische Wochenschrift, 1886, Nr.5.
4) S t e l v a g o n, Journal of Cotan and Venerial Deseas, 1886, S. 526.
5) B u s c h i n s k y, Wratsch, 1886, Nr. 24.
6) R i t t e r, Berliner Klinische Wochenschrift, 1886, Nr. 47.
7) E. Stern, Deutsche Medizinische Wochenschrift, 1886, Nr.15.
8) W. G. S m i t h, British Medical Journal, 5. Juni 1886.
9) L i e b r e i c h, Deutsche Medizinische Wochenschrift, 1886, Nr. 28.
10) 0. P h i l i p p, Pharmazeutische Zentralhalle, 1886, Nr. 9.
11) G o t t s t e i n, Berliner Klinische Wochenschrift, 1887, Nr.48.
12) B u z z i, Monatshefte für praktische Dermatologie, Band 8, Nr. 1 und 4 (1889).
13) S a n t i, Monatshefle für praktische Dermatologie, Band 9, Nr. 4 (1889).
14) S a n t i, Monatsheffe für praktische Dermatologie, Band 4, Nr. 6 (1892).
15) 0. Vu l p i u s, Deutsch amerikanische Apotheker Zeitung, 1896, Nr. 9.
16) B e l l a g a t t h i, Monatshefte für praktische Dermatologie, . Band 28, Nr. 2 (1899).
17) A. F r i c k e n h a u s, Monatshefte für praktische Dermatologie, Band 28, Nr. 11 (1899).
18)U n n a, Lehrbuch der allgemeinen Therapie und therapeutischen Methodik von Eulenburg und Samuel. Urban und Schwarzenberg, 1899.
 

 

Die Gewinnung des Wollfettes
und seine Handelsformen.

      Das Wollfett ist eine Absonderung aus der Haut des Schafes. Es entstammt einerseits den Drüsen an der Haarwurzel, von denen es dem wachsenden Haar laufend mitgegeben wird, andererseits den Ausscheidungen der Talg- und Schweißdrüsen der Haut. Die Wollfaser wird dadurch gleichmäßig mit Wollfett überzogen und gegen mechanische und atmosphärische Einflüsse, insbesondere Feuchtigkeit, geschützt und die Epidermis vor zu starkem Feuchtigkeitsentzug behütet. Außer dem Wollfett schwitzt die Haut des Schafes auch Schweißsäuren aus. Diese würden einen zerstörenden Einfluß auf die Wolle und die Haut ausüben, wenn nicht von den Hautdrüsen gleichzeitig auch alkalische Stoffe, in der Hauptsache Kaliverbindungen, abgesondert würden, welche die Schweißsäuren neutralisieren und unschädlich machen. Das Wollfett, als ein schwer verseifbares Fett, wird von den dabei entstehenden Kaliverbindungen nicht angegriffen.
      Diese Ausscheidungen der Schafhaut, das Wollfett, die Wollschweißkaliseifen und die sekundär durch Gärung der stickstoffhaltigen Schweißabsonderungen entstandenen Verbin-dungen werden zusammen mit den beim Lagern der Schafe aufgenommenen Erd- und Sandteilen, Kot- und Urinresten in der Wollwäscherei von der Wolle entfernt.
      Die Wolle wird zunächst in reinem, etwa 25° Celsius warmem Wasser, sorgfältig ausgelaugt. Dabei gehen die Wollschweiß-kaliseifen in Lösung über. Die so gewonnene Lauge wird konzentriert und in geeigneten Kalcinieröfen verascht. Als Endprodukt erhält man rohe Pottasche, die unter dem Namen "Wollschweißasche" in den Handel gebracht wird und ca. 72-75% kohlensaures Kali, einschließlich kieselsaurem und phosphorsaurem Kali mit Schwefelkalium, enthält.
      Die so vom Schweiß befreite Schmutzwolle enthält jetzt noch das Wollfett. Sie wird in besonderen Waschmaschinen, sog. Leviathanen*, mit Seifenwasser gewaschen. Die verbrauchten Seifenwässer enthalten das Wollfett in Form einer Emulsion, aus der es nach verschiedenen Verfahren isoliert werden kann.

* Waschstrasse mit mehreren hintereinander aufgereihten Bottichen

      Man kann das Wollfett mit Hilfe geeigneter Zentrifugen abschleudern. Dabei wird es zunächst in Form einer noch stark seifenhaltigen Milch gewonnen und kann durch Waschen und Durchlaufen weiterer Klärzentrifugen gereinigt werden. Bei diesem Verfahren erhält man ein neutrales Wollfett, das ca. 1-2% freie Fettsäure enthält aber meist nicht ganz frei von Seifen ist. Das an der Zentrifuge abfließende Seifenwasser enthält noch ca. 30-35% des ursprünglich in ihm enthaltenen Wollfettes und wird, wenn es die Verhältnisse erlauben, nicht weiter aufgearbeitet. Im anderen Falle muß das Wasser angesäuert und das Fett nach irgendeinem in der Fettindustrie gebräuchlichen Verfahren gewonnen werden.
      Ein anderes, weit verbreitetes Verfahren besteht darin, daß man die Waschwässer ansäuert, um die Emulsion aufzuheben. Dabei fällt das gesamte emulgierte Wollfett, die von der Seife herrührende Fettsäure, zusammen mit dem vorhandenen Schmutz, in Form eines dicken, schweren Schlammes aus. Der Fettschlamm wird dann mit einem Fettlösungsmittel extrahiert und so das Fett möglichst weitgehend aus demselben entfernt. Nach dem Abdestillieren des Fettlösungsmittels erhält man jetzt das rohe Wollfett mit ca. 15-25% freier Fettsäure. Durch Neutralisieren bzw. Entfernen der freien Fettsäuren aus dem Rohwollfett gelangt man zu neutralem Wollfett mit ca. 0,5% freier Fettsäure. Durch entsprechende Raffination und Desodorierung kommt man schließlich von diesem Produkt zum Adeps lanae anhydricus, das im vorliegenden Falle unser besonderes Interesse hat.
      Adeps lanae anhydricus ist im Gegensatz zu anderen tierischen und pflanzlichen Fetten kein Glyzerin-Ester, sondern es stellt ein kompliziertes Gemenge von Estern höherer Alkohole und freien höheren Alkoholen dar. Die Fettsäuren sind mit Alkoholen wie Cholesterin, Dihydro-Cholesterin, Lanosterin, Agnosterin, Carnaubyl-Alkohol, Ceryl-Alkohol, Laneucerin-Lacton und anderen Alkoholen, deren Natur noch nicht eindeutig bekannt ist, verestert.
      Infolge seiner inneren Zusammensetzung nimmt das Wollfett unter allen Fetten eine Sonderstellung ein, die ihm ganz besondere Eigenschaften verleiht.
      Adeps lanae ist gegenüber der Einwirkung von Wärme, Licht Luft und Wasser fast vollkommen unempfindlich. Selbst lange Zeit atmosphärischen Einflüssen ausgesetzt, bleibt es vollkommen unverändert. Einzig die alleräußerste Schicht, die dauernd den Einflüssen der Atmosphäre ausgesetzt ist, zeigt eine ganz minimale Zunahme an freier Fettsäure, jedoch schon die unmittelbar darunterliegenden Fetteilchen bleiben vollkommen unverändert.
      Das Wollfett hat eine große Widerstandsfähigkeit gegen Alkalien und alkalische Erden, aber auch Salz und Schwefelsäure sowie andere anorganische und organische Säuren wirken in verdünntem Zustande so gut wie gar nicht auf das Fett ein. Unter gewöhnlichen Verhältnissen ist es nicht verseifbar. Nur unter Druck oder bei Anwendung höherer Temperaturen oder bei Verwendung alkoholischer Alkalien kann nach längerer Zeit eine Verseifung erzielt werden.
      Adeps lanae anhydricus ist reinstes neutrales Wollfett, frei von organischen und anorganischen Fremdstoffen. Es enthält also keinerlei Alkali, weder frei noch in gebundenem Zustande. Ebenso ist es frei von Säuren sowie von Glyzerin und Glyzerinfetten. Es schmilzt bei ca. 40° Celsius, ist von hellgelber Farbe und hat nur noch einen ganz schwachen Geruch. Es ist leicht löslich in Äther, Chloroform, Petroleum, Benzin, Benzol, Tetra-Chlorkohlenstoff, Aceton sowie in den meisten organischen Fettlösungsmitteln und in kochendem absoluten Alkohol. Es ist wenig löslich in kaltem Alkohol und unlöslich in Wasser. Es läßt sich, ohne seine salbenartige Beschaffenheit zu verlieren, mit 150-200% Wasser mischen, dabei entsteht eine Emulsion von Typus: "Wasser-in-Öl".

Die chemischen Kennzahlen von Adeps lanae anhydricus sind:

Säurezahl maximal 0,28 (entspricht 0,14% freier Fettsäure)
Verseifungszahl 90-100
Asche unter 0,1%
Trockenverlust (Wasser) unter 0,1%
Jodzahl (nach Hanus) 18-28

      Das neutrale Wollfett setzt sich zusammen aus ca. 50% Fettsäuren und 50% Alkoholen. Der Gehalt an Cholesterin, fällbar mit Digitonin, ist im Adeps lanae ca. 13-14%, davon sind ca. 1,0-1,3% in freiem Zustande vorhanden, der Rest in Form von Cholesterin-Estern.
      Ein Bericht über die technischen Qualitäten des Wollfettes und seine vielseitige Anwendung würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit überschreiten. Für medizinische und pharmazeutische Zwecke ist es empfehlenswert, nur ein Adeps lanae anhydricus zu verwenden, das garantiert den Anforderungen des Deutschen Arzneibuches 6. entspricht.
      Adeps lanae anhydricus D.A. B. 6 stellt, wie der Name sagt, das reine wasserfreie Wollfett dar, welches nach jeder Richtung hin den Anforderungen des Deutschen Arzneibuches 6. entsprechen muß, um für die vorliegend gedachten Zwecke in Frage zu kommen. Seine Eigenschaften wurden im Vorausgegangenen eingehend besprochen.
      Adeps lanae cum aqua ist eine Verreibung von 75% Adeps lanae anhydricus D.A.B. 6 mit 25% destilliertem Wasser. Es stellt eine fast weiße homogene Salbe dar. Es war zum erstenmal im D.A.B. 4 (1900) beschrieben, merkwürdigerweise aber in den späteren Ausgaben des Arzneibuches nicht mehr erwähnt. Da es trotzdem auch heute noch ein nicht zu unterschätzendes Handelsprodukt darstellt, erscheint es gerechtfertigt, es hier besonders zu erwähnen.

Lanolin D.A.B. 6 ist eine Verreibung von:

13 Teilen Adeps lanae anhydricus D.A.B. 6 = 65%,
4 Teilen destilliertem Wasser = 20%,
3 Teilen Paraffinöl = 15%.

      Es stellt eine gelblich weiße, fast geruchlose Salbe dar, die im Gegensatz zum Adeps lanae cum aqua bedeutend weicher und geschmeidiger ist. Für die Reinheit der einzelnen zur Mischung nötigen Anteile gelten die Vorschriften des D. A. B. 6
      Neben diesen bekannten und alteingeführten Präparaten fabriziert die Woll-Wäscherei und Kämmerei in Döhren bei Hannover in jüngster Zeit ein Wollfett-Präparat das unter dem Namen "Aquaphil" in den Handel gebracht wird. Wie schon erwähnt, nimmt Adeps lanae anhydricus etwa 150-200% seines Eigengewichts an Wasser auf. Aquaphil, das in seiner Zusammensetzung den Ansprüchen von Adeps lanae anhydricus entspricht stellt nun eine Salbengrundlage dar, die bis zu 500% des Eigengewichts an Wasser oder wässerigen Lösungen aufzunehmen vermag. Die entstehende Emulsion ist außerordentlich beständig und von zarter, sahniger Konsistenz. Sie wird von der Haut außerordentlich leicht resorbiert und ruft keinerlei Reizerscheinungen hervor.
      Von der kosmetischen Industrie wird Aquaphil schon jetzt mit gutem Erfolg gebraucht. Die Erfahrungen mit Aquaphil in der medizinischen Anwendung sind noch gering. Immerhin ist anzunehmen, daß die einzigartige Fähigkeit des Aquaphils, sich mit außerordentlich großen Flüssigkeitsmengen zu einer guten Salbe verreiben zu lassen, der Salbenbehandlung neue Wege weist und neue Gebiete erschließen kann.

Zur Pharmokologie der Wollfette.

      Es ist hier nicht der Raum, aber auch nicht notwendig, auf die vielen Fragen der Physiologie und der Pharmakologie der Haut einzugehen. Dagegen scheint es wünschenswert, zur Einleitung einiges über die Physiologie des Oberflächenfettes der Haut zu sagen.
      Das Oberflächenfett der Haut besteht aus zwei Fetten verschiedener Herkunft, nämlich dem Sekretfett und Zellfett. Im Gegensatz zum Unterhautfett (Triglyceride der Palmitin- , Stearin- und Ölsäure) besteht das Oberflächenfett aus Fettsäure-Estern hochmolekularer und aromatischer Alkohole, vor allem solcher des Cholesterins und seiner Derivate.
      Cholesterin ist eine weiße, perlmutterartig glänzende, aus sich fettig anfühlenden Blättchen bestehende Masse. Es ist in Wasser unlöslich, ebenso in verdünnten Säuren und Alkalien, leichtlöslich in Äther, Chloroform, Benzol, in heißem Alkohol und in Ölen. Es ist ein aromatischer Alkohol, der nach Windaus mit der Cholsäure und der Desoxycholsäure nahe verwandt ist. Das Cholesterin findet sich, wenn auch nur in sehr geringen Mengen, in allen tierischen Zellen. In größerer Menge ist es im Gehirn und in der Galle enthalten.
      Der Hauttalg (Sekretfett) ist ein Drüsenprodukt und besteht aus einem Gemisch von Estern verschiedener höherer Fettsäuren mit einwertigen Alkoholen. Es wurden in ihm hochmolekulare, aliphatische Alkohole, niedere aliphatische Fettsäuren, Seifen, Phosphatide, Cholin, Cholesterin, Cholesterinderivate und Cholesterin-Ester nachgewiesen. Es ist festgestellt, daß das Sekret der Talgdrüsen kein Cholesterinfett ist und nur geringe Mengen dieser Substanz enthält.
      Die aus den Epidermiszellen stammenden Hornfette (Zellfett) lassen sich vom Hauttalg trennen. Sie haben einen höheren Schmelzpunkt und vor allem einen hohen Cholesteringehalt. Durch diesen unterscheidet sich das Hornfett ausgesprochen vom Hauttalg. Dieser Cholesteringehalt hat nun insofern eine besondere Bedeutung, als durch ihn das Oberflächenfett der Haut emulgierbar ist, und zwar im Sinne einer Emulsion "Wasser-in-Öl". Dadurch ist die Haut für Wasser durchgängig, und ermöglicht dem Körper die insensible, extrarenale Wasserabgabe. Ein gewisser zweckmäßiger Feuchtig-keitsgrad der Haut ist gesichert und andererseits ist doch der Fettgehalt derselben so, daß Wasser von ihr leicht abläuft und die oberflächliche Hornschicht auch bei längerem Aufenthalt in Wasser nur allmählich quillt. Die verhältnismäßig große chemische Indifferenz der Cholesterin-Ester hat zur Folge, daß sie als chemischer Hautschutz ebenfalls wirksam sind. Sie werden auch von Mikroorganismen schwer gespalten. Die früher zitierte Auffassung von Gottstein, daß diese Fette eine immunisatorische Aufgabe hätten, ist zwar damit nicht als richtig erwiesen, aber der Gedanke, daß sie in der Bakterienabwehr der Hautoberfläche mit eine Rolle spielen, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, sofern man sie als schlechten Nährboden betrachten kann.
      Im Wollfett sind nun die leicht verseifbaren und zersetzlichen aus den Drüsen stammenden Anteile durch die Art der Aufarbeitung der Wollwaschwässer restlos entfernt und nur, wie schon früher erwähnt, die hochwertigen Ester, besonders des Cholesterins, erhalten. Das Wollfett stellt so der Haut diejenigen Stoffe zur Verfügung, die schon normalerweise den wesentlichen Bestandteil der Fettschicht der Oberhaut ausmachen. Es kommt als Salbe oder Salbengrundlage den physiologischen Verhältnissen am nächsten.
      In der medikamentösen Beeinflussung des gesamten Körpers von der Haut aus oder der speziellen Behandlung von Hautver-änderungen sind Salben die wichtigsten Hilfsmittel. Sie können als "Medikament an sich" verwendet werden oder dienen als Träger eines Medikamentes.
      Bei jeder Salbenbehandlung ist es notwendig, daß man sich nicht nur über das Ziel, auf das man hinwirken will, im klaren ist, sondern auch über den Weg, auf dem man dieses Ziel erreichen kann. Es kann darum bei noch so sorgfältiger Auswahl des Medikaments, das zur Wirkung gebracht werden soll, die richtige oder falsche Wahl der Salbengrundlage von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg oder Mißerfolg einer Salbenbehandlung sein.
      Als Beispiel hierfür sei auf die früher zitierte Beobachtung von Potschowski hingewiesen. Bei Anwendung der offizinellen Jodsalbe, die damals (1886) mit Unguentum paraffini (Paraffinum solidum plus liquidum) als Salbengrundlage verfertigt wurde, trat keine Jodausscheidung im Harn auf. Dagegen gelang es schon noch ganz kurzer Zeit Jod im Harn nachzuweisen, wenn die 10% ige Jodsalbe mit Adeps lanae angefertigt wurde. Demnach war eben für den Zweck der Jodkaliverabreichung, mit Hoffnung auf Tiefenwirkung und Resorption, Unguentum paraffini nicht die richtige Salbengrundlage. Die Pharmakopoe trug dem Rechnung, indem sie später Adeps suillus als Salbengrundlage für die offizinelle Jodsalbe vorschrieb. Ob aber nicht mit Adeps lanae eine noch bessere Wirkung zu erzielen wäre, ist nach dem Vorausgesagten nicht auszuschließen und wäre mindestens zu erproben.

Die Anforderungen, die an eine gute Salbengrundlage zu stellen sind, sind folgende:

1. Eine Salbengrundlage muß an und für sich für die Haut möglichst indifferent, reiz- , farb- und geruchlos und haltbar sein.
      Was die Frage der Reizlosigkeit und die der Indifferenz betrifft, so ist auf die oben näher beschriebene Zusammensetzung des natürlichen Hautfettes und die derselben weitgehend gleichartige des Adeps lanae zu verweisen. Daraus geht hervor, daß Adeps lanae in seiner chemischen Zusammensetzung und in seinen physikalischen Eigenschaften dem Hautfett von allen Salbengrundlagen am nächsten steht. Das Wollfett wird damit zu einer für die Haut vollkommen indifferenten Salbengrundlage, die sich mit dem Hautfett aufs innigste vermischt, viel inniger als jedes andere Fett. Irgendwelche Reizzustände als Folge von Wollfettanwendung sind so gut wie ausgeschlossen. Demgegenüber muß man besonders beachten, daß die so häufig verwendete, völlig artfremde Vaseline viel leichter zu Hautreizungen führen kann. Bekannt ist die Tatsache, daß bei dauernder, jahrelanger Anwendung von Vaseline an derselben Stelle sogar bösartige Geschwülste entstehen können (Paraffinkrebs).
      Die Farbe des Adeps lanae anhydricus ist gelblich. Durch Wasserzusatz, wie beim Adeps lanae cum aqua oder beim Lanolin D.A.B.6. geht die Farbe in ein reines Weiß über. Des weiteren läßt sich die Farbe des Adeps lanae leicht durch entsprechende Zusätze wie Zincum oxydatum usw. beeinflussen.
      Das ungereinigte Wollfett hat einen scharfen, bockigen Geruch, der beim reinen Adeps lanae anhydricus, das den Vorschriften des D.A.B. 6. entspricht, bis auf unmerkliche Spuren durch den Reinigungsprozeß verlorengegangen ist.
      Dieser in keiner Weise mehr störende Rest wird durch den Zusatz von Medikamenten vollkommen unterdrückt. Es war früher üblich, den Salben Geruchstoffe wie Myrrha, Resina benzoes u. ä. als Geruchskorrigentien zuzusetzen. Dazu liegt bei Adeps lanae kein Bedürfnis vor. Aber auch noch aus einem anderen Grunde wurde insbesondere Resina benzoes den Salben beigefügt. Es sollte die Zersetzung der Salbe, insbesondere das Ranzigwerden des Fettes, verhindern. Der Zusatz von konservierenden Medikamenten ist bei Adeps lanae vollkommen überflüssig. Es hat, wie schon oben näher ausgeführt, eine fast unbegrenzte Haltbarkeit und wird in dieser Hinsicht lediglich noch vom Paraffin übertroffen, das aber dafür nicht in Hinsicht auf die Indifferenz und physiologische Anpassung, um nur zwei wichtige Gesichtspunkte herauszugreifen, den Wettkampf bestehen kann.
2. Eine Salbengrundlage muß die verschiedenen Medikamente in fester oder gelöster Form gleichmäßig in sich aufnehmen können, ohne ihre Wirksamkeit irgendwie zu beeinflussen.
Adeps lanae ist praktisch unzersetzlich und neutral. Es geht mit den hinzugefügten Arzneimitteln und Chemikalien keine chemischen Umsetzungen ein und entspricht damit dieser Anforderung vollkommen.
3. Eine Salbengrundlage muß jeden Grad von Konsistenz annehmen können.
Die Wollfette lassen sich mit Ölen und Fetten jeder Art nach Belieben mischen.
4. Eine Salbengrundlage muß eine hohe Flüssigkeitskapazität besitzen. Sie muß mit Wasser und gelösten Stoffen in hohem Maße mischbar sein.
Die Flüssigkeitskapazität des Adeps lanae anhydricus beträgt ca. 150 200%. Für Fälle, wo eine höhere Kapazität gewünscht ist, kommt das neue Wollfettpräparat "Aquaphil" (Woll-Wäscherei und Kämmerei in Döhren bei Hannover) in Betracht.
      In der dermatologischen Praxis interessiert die Frage der Flüssigkeitskapazität einer Salbe ganz besonders im Zusammen-hang mit den sog. Kühlsalben. Man bezeichnet als solche jene Salben, deren Kühlungseffekt auf ihren Gehalt an Wasser zurückzuführen ist.
      Wie leicht die auch sonst sehr häufige Verwechslung zwischen Adeps lanae anhydricus und Lanolin D.A.B.6. zu Mißverständnissen und zu falschen Annahmen, insbesondere auch über den Wassergehalt, führen kann, zeigt in diesem Zusammenhang ein Beispiel aus der Literatur: Unna teilt mit, daß es zur Auslösung einer Kühlwirkung auf die Haut nicht auf die absolute Wassermenge ankomme, sondern darauf, wieviel Wasser die Salbe zu Verdunstungszwecken abzugeben imstande ist. Von zwei Salben gleichen Fett- und Wassergehaltes, nämlich:

1.Lanolin 30,0   2. Lanolin 10,0
Aqua 45,0   Axiunga porci         20,0
Aqua 45,0

besitzt nur die zweite ein Kühlvermögen. Eine von fachmännischer Seite unternommene Nachprüfung ergab aber, daß die beiden Salben nicht den gleichen Fett- und Wassergehalt hatten. Der Wassergehalt wäre in beiden Salben dann derselbe, wenn an Stelle von Lanolin, Adeps lanae anhydricus genommen worden wäre.
      Die Wasseraufnahme einer Salbengrundlage beruht auf einer Emulsionsbildung. Als Emulsion bezeichnet man die Mischung zweier Flüssigkeiten, die nicht ineinander löslich sind. Man erhält bei dieser Vermengung ein sog. diphasisches System, wobei die Flüssigkeit, die fein verteilt ist die disperse Phase darstellt, während die zweite Flüssigkeit als Dispersionsmittel oder als geschlossene Phase bezeichnet wird. Bei der Emulgierung des Fettes in Wasser, wie wir sie z. B. in der Milch haben, stellt das Milchfett die disperse Phase, das Wasser die geschlossene Phase dar. Umgekehrt kennen wir auch Fälle, in denen das Wasser die disperse Phase und das Fett die geschlossene Phase darstellt. Wir haben also zwei Arten der Emulsion zu unterscheiden. Die Emulsion "Öl-in-Wasser" und die "Wasser-in-Öl". Die beiden Emulsionsarten verhalten sich hinsichtlich der Abgabe des Wassers bei der Verdunstung und bei der Abgabe an die Gewebe verschieden, was für die Resorptionsfähigkeit der in den Salben vorhandenen Medikamente praktisch von Wichtigkeit ist. Die Entmischung einer Emulsion wird durch bestimmte Stoffe verhindert, die man als Emulgatoren bezeichnet. Die Zahl derselben ist sehr groß. Die Emulsionsfähigkeit des Wollfettes ist durch das Vorhandensein der Sterine (Cholesterin, Metacholesterin) bedingt.
      Während die allgemeinen Eigenschaften der Salben, Reizlosigkeit, Geschmeidigkeit, Haltbarkeit usw. von der Wahl des Fettes abhängen, ist die Aufnahmefähigkeit einer Salbengrundlage für Wasser durch die Emulgierbarkeit desselben bedingt. Da die Wasseraufnahmefähigkeit bei den meisten Fetten sehr gering ist, ist es notwendig, ihnen besondere Emulgatoren zuzusetzen, wenn sie als stabile Emulsionen therapeutisch zur Verwendung kommen sollen. Infolge seines natürlichen Gehalts an Sterin, bedarf das Adeps lanae keines besonderen Zusatzes zur Herstellung einer stabilen Emulsion. Es gibt ohne besondere Bearbeitung durch einfaches Verrühren eine haltbare Emulsion vom Typus "Wasser-in-Öl", bei der Sterin als Emulgator wirkt. Würde die Bindung des Wassers im Adeps lanae so erfolgen, wie beispielsweise die Bindung des Wassers in Calciumchlorid, so würde das Adeps lanae weder Wasser noch die im Wasser gelösten Substanzen an die Haut abgeben können.
      Bezüglich der Kühlwirkung stellte Moncorps fest, daß in erster Linie die in Form einer "Öl-in-Wasser" Emulsion vorliegenden Salben und Linimente kühlten, daß aber auch einigen "Wasser-in-Öl" Emulsionen eine Kühlwirkung zukommt, z.B. Pasta zinci mollis (Aq. calc. Ol. lini aa 20,0 Calc. carbon. prae. Zinc. oxyd. aa 30,0) Unguentum leniens. Fein dispergierte "Wasser-in-Öl" Emulsionen sollen einen Kühleffekt vermissen lassen. Dem widerspricht neben anderem die Auffassung von Lichtwitz, der von den Wollfetten sagt, sie geben mit Öl, Vaseline und Wasser verarbeitet, geschmeidige, vorzüglich deckende Salbengrundlagen, die auch angenehm kühlen, da sie viel Wasser aufzunehmen und abzudunsten vermögen.
      So sind die theoretischen Grundlagen der Frage der Verwendbarkeit der Wollfette als Salbengrundlage für Kühlsalben keineswegs geklärt. Die dermatologische Praxis spricht aber durchaus für ihre weitgehende Eignung zu diesem Zweck. Insbesondere wäre zu wünschen, daß mit Aquaphil, das sich wie erwähnt, durch hohe Wasseraufnahmefähigkeit auszeichnet (bis 500%), weitere Erfahrungen gemacht würden.
      Ein ebenfalls noch wenig geklärter Fragenkomplex ist der der Resorption von in Wasser gelösten und den Salben inkorporierten Medikamenten. Moncorps konnte bei der Untersuchung über die Resorptionsverhältnisse von Salicylsäure-Salben feststellen, daß die Resorption aus Salbengrundlagen, die im wesentlichen aus ungesättigten Kohlenwasserstoffen bestehen, weniger günstig ist, als bei den wasserbindenden bzw. wasserhaltigen Grundlagen. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die Beobachtungen von Potschowski verwiesen und schließlich sei auch die ausgedehnte Literatur über Pravalidin erwähnt. Pravalidin ist eine Wollfett-Kampfersalbe zur percutanen Kampferbehandlung bei verschiedenen Krankheitszuständen. Wenn auch zuzugeben ist, daß Kampfer schon in Substanz von der Haut gut resorbiert wird, so beweisen doch die Arbeiten von Koch 3) u. 4), Schuppenhauer 1), Braun 2) und Neuschäfer 5), daß gerade das Wollfett sich als Vehikel für die percutane Kampferverabreichung als ganz besonders geeignet erwiesen hat.
      Nach alledem muß es außerordentlich wundernehmen und ist nur zu bedauern, daß sich die Pharmakologie trotz der Veröffentlichung über so ausgezeichnete Erfolge niemals eingehender mit den Wollfetten befaßt hat, um so mehr als doch aus all den in dieser Abhandlung zusammengefaßten Tatsachen der Gedanke durchaus nahegelegt ist, daß das Wollfett als hautverwandtes Cholesterinfett salbeninkorporierte Medikamente ganz besonders gut zur Resorption bringt.
      Contra-Indikationen gegen die Anwendung von Adeps lanae bestehen nicht. Immerhin gibt es Fälle, in denen eine Idiosynkrosie der Haut gegen Fette überhaupt besteht.
      Im Anschluß an eine Veröffentlichung von Gordonow und Zurukzoglu 6) wurde in jüngerer Zeit die Frage aufgeworfen, ob cholesterinhaltige Salben und Kosmetika gesundheitsschädigende Wirkungen entfalten können. Die Autoren gingen dabei von dem Gedanken aus, daß das als Vitamin D in den Handel kommende bestrahlte Ergosterin bei Überdosierung und enteraler Verabreichung Gefäßveränderungen hervorruft. Sie glaubten nun den Nachweis erbracht zu haben, daß ergosterinhaltige Salben infolge der Resorption des Ergosterins durch die Haut ebenfalls gesundheitsschädlich wirken. Moncorps 7) erbrachte demgegenüber den Nachweis, daß die Versuchsanordnung von Gordonow und Zurukzoglu derart war, daß sie zu solchen Schlüssen nicht berechtigte. Daß Adeps lanae und seine Derivate Ergosterin bzw. Vitamin D enthalten, steht nach Ansicht von Moncorps zweifellos fest. Die Mengen aber sind derart gering, daß sie bei der praktischen Anwendung von Adeps lanae in der Heilkunde und in der Kosmetik auch nur die Rolle eines bescheidenen Vitaminspenders niemals spielen können, noch viel weniger aber in der Lage sind, eine Hypervitaminose herbeizuführen. Wenn andererseits in neuerer Zeit Präparate in den Handel gekommen sind, bei denen ausdrücklich durch entsprechende Vorbehandlung Vitamin D in der Salbe angereichert wurde, so ist das nach Ansicht von Moncorps immerhin als bedenklich zu bezeichnen.
      Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Wollfette in ganz außerordentlichem Maße den Anforderungen entsprechen, die man an eine gute Salbengrundlage stellen muß. Bei der kritischen Prüfung vieler Salbenrezepte kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß bei der Angabe derselben Wollfette oder andere Fette vielfach planlos, dem momentanen Einfall entsprechend, als Salbengrundlagen gewählt wurden. Wenn es gelingen würde, bei dieser Wahl die vortrefflichen, altanerkannten Eigenschaften der Wollfette wieder in Erinnerung zu bringen und zu einer kritischen Prüfung im Vergleich mit anderen Salbengrundlagen anzuregen, wäre der Zweck dieser Abhandlung erreicht.

L i t e r a t u r - V e r z e i c h n i s.
Unseren Ausführungen über die Physiologie und Pharmakologie der Haut haben wir im wesentlichen zugrundegelegt:
Pharmakologie der Haut, Arzneimittel, Allgemeine Therapie, bearbeitet von A. Perutz, C. Siebert, R. Winternitz.
Handbuch der Haut und Geschlechtskrankheiten von Jadassohn, Band V, Teil 1. Springer, Berlin 1930.
1) S c h u p p e n h a u e r, Allgemeine Medizinische Zentralzeitung, 1905.
2) E. B r a u n, Österreichische Ärztezeitung, 1905, Nr. 14.
3) W. K o c h, Berliner Klinische Wochenschrift, 1904, Nr. 18.
4) W. K o c h, Ärztliche Rundschau, 1906, Nr. 46.
5) N e u s c h ä f e r, Medizinische Klinik, 1916, Nr. 30.
6) G o r d o n o w und Z u r u k z o g l u, Archiv für Hygiene 109, 361 (1933).
7) C. M o n c o r p s, Münchener Medizinische Wochenschrift, 1933, Nr. 33 und Nr. 38.





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