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ZUR VORGESCHICHTE DES LANOLINS
von Prof. Dr Th. HUSEMANN in GÖTTINGEN.
(6. Fortsetzung)

Oesypum als Heilmittel in bestimmten Krankheiten.

Die Geschichte der therapeutischen Verwendung des Oesypum reicht nur bis auf Celsus, Plinius und Dioskorides zurück. Was man aus der klassischen Hellenischen Zeit herangezogen hat, um die Existenz und den Gebrauch des Mittels zu erweisen, sind nur sehr problematische Daten. Für die Angabe, dass das Wollfett im Sinne von Dioskorides schon zur Zeit H e r o d o t´s bekannt gewesen sei, gibt Herodot selbst keine genügende Stütze. Er erzählt nur im 4. Buche seines Geschichtswerkes (187), dass die Libyer bei ihren Kindern, um sie gesund und kräftig zu machen, die Adern am Scheitel oder auch an der Stirn mit oisph (oder nach anderer Lesart mit oisuph brennen. Dass hier von schmutziger Wolle, nicht aber von Oisupos des Dioskorides die Rede ist, liegt auf der Hand. Noch heute wird fette Wolle im Orient zu Moxen angewandt, und wie R o e s e r 1863 auf der Karlsbader Naturforscherversammlung mittheilte, benutzte man in Griechenland bis in die neuere Zeit hinein bei einer für untrüglich gehaltenen Behandlung von Bisswunden toller Hunde neben cantharidinhaltigen Insecten das Kauterisiren der Wunde mittelst Abbrennens einer Wollflocke.

Von R. v. Grot wird auch A r i s t o p h a n e s herbeigezogen, der das Fussgelenk des Helden Lamachos mit Oesypum heilen lasse. Die Stelle, welche diese Ansicht begründen soll, befindet sich in dem Lustspiele Acharnenses v. 1177. Dort werden zur Vorbereitung zu einem Verbande heisses Wasser, Binden, Cerat und eria oisuphra, d. h. Wollschutz enthaltende Wolle, aber nicht das aus dieser Wolle bereitete Produkt des Dioskorides gefordert. Dass man zur Zeit des H i p p ok r a t e s von der schmutzigen Wolle bei Fracturen zu Verbänden Gebrauch gemacht hat, das geht zur Genüge aus dessen Buche peri agmvn (ed. Kühn. T. III. p. 115) hervor, wo er mittheilt, dass die meisten Arzte Fracturen, sowohl incomplicirte als complicirte, in den ersten Tagen mit schmutziger Wolle behandeln, und dies Verfahren als ein sehr empfehlenswerthes bezeichnet, da sich Wolle besser als Leinen zu derartigen Verbänden eigne. Hier steht eirioisin ruparoisin; in Galen`s Commentar zu den Buche des Hippokrates wird dazu die Erklärung gegeben: toutestin oisuphra (Galeni Opp. Ed. Kühn. T 18 a. p. 697) und an einer anderen Stelle wiederholt er die Erklärung mit etwas anderen Worten: toutestin oisupon econta. Jedenfalls sind diese Stellen nicht geeignet, die Existenz des Oesypum als Heilmittel in den Zeiten des Hippokrates und des Atheniensischen Komoediendichters, der übrigens sehr genau die Hellenische Behandlung der Fracturen angibt, zu erweisen. Dass die oesypum- haltige Wolle auch später neben Oesypum in Anwendung kam, beweisen ausser schon oben angeführten Stellen aus Galen besonders die Empfehlungen der Schweisswolle von A r e t a e u s und A l e xa n d e r v o n T r a l l e s bei Podagra *)

Dass die Römischen und Griechischen Aerzte, die wirklich des Oesypum Erwähnung thuen, dieses nicht als eine Substanz zur Salben- und Pflasterbereitung hinstellen, sondern ihm Heilwirkungen gegen bestimmte Krankheiten beilegen, kann nicht befremden. Von den nach P l i n i u s "fast nicht zu zählenden" Affectionen, gegen welche das Mittel im Alterthume empfohlen wurde, stehen Augenaffectionen und diverse Krankheiten an den Geschlechtstheilen und am After obenan ; daneben fand es auch bei Wunden und Geschwüren der Haut mannigfache Verwendung.

So z.B. in der Form des Neunmittelpflasters von C e l s u s (lib. 6. c. 19), das als "ad pus movendum et purgandum valens" bezeichnet wird, während Celsus an einer anderen Stelle (lib. 6. c. 30) von dem Einflusse des noch in der Wolle befindlichen Wollfetts auf die Verheilung ("ad vulnus implendum") nicht viel wissen will und die gewaschene Wolle als Bedeckungsmittel vorzieht : "Lanae succidae supervacuus usus est; lota melius circumdatur." Im Uebrigen hat Celsus das Mittel in vorschriften bei Rhagaden des Afters, wo er besonders betont, dass es frisch sein muss, und bei Condylomata, wo jedoch nicht das Oesypum das Hauptmittel ist, sondern chalcanthos, worunter wir in Ermangelung präciserer Bestimmung  verwitterten Eisen- und Kupfervitriol verstehen können.

D i o s k o r i d e s (lib. II. c. 84) legt dem Oesypum erwärmende, erweichende und die Verheilung von Geschwüren fördernde Wirkung bei, die sich besonders in der Umgegend des Afters und der Vulva äussere, wenn man es mit Melilotus und Butter applicire. In Wolle eingeführt (als Pessarium) errege es die Geburt und die Menstruation; mit Gaenseschmalz verbunden wirke es auch auf Geschwüre an den Augen und: Genitalien günstig; ferner sei es wirksam bei geschwürigen und scabiösen Augenwinkeln, bei Verhärtungen der Augenlider (blefara tetulwmena) und Ausfall der Wimperhaare. Ueber Dioskorides` Angaben bezüglich des veraschten oder verbrannten Wollfetts ist schon oben berichtet worden. P l i n i u s sagt über die Heilwirkungen des Wollfetts ziemlich genau dasselbe wie Dioskorides, erwähnt aber ausserdem noch den innerlichen Gebrauch bei Morbus comitialis (Epilepsie) und Wassersuchten (lib. 30. c. 10) und eine Salbe aus Zinkoxyd (pomfolux) mit esypum und Rosencerat bei Ignis sacer. Auch gedenkt er der sehr unappetitlichen Verwendung der Schmutzknäuel am Schwanze der Schafe, die man getrocknet und gepulvert bei Geschwüren des Zahnfleisches und bei wackelndem Zähnen gebrauchte, und die wir auch in dem aus dem Anfange des 3. Jahrhunderts stammenden medicinischen Lehrgedichte des Q. S e r e n u s S a m o n i c u s (ed. Ackermann. Lips. 1786. p. 50. c. 14) mit den Versen verherrlicht finden :

"Aut tu sume pilam quae caudis haeret ovinis.
Haec siccata dabit molles et fracta farinas,
Hujus et attritu tetrum mulcebitur ulcus."

  Die angeführten Empfehlungen des Oesypum finden sich auch bei späteren medicinischen Autoren des Alterthums. Die Angabe von Wolfsberg, dass G a l e n dem Wollfett keine Vorzüge vor anderen Fetten gebe, ist nicht ganz correct. sie stimmt weder zu den Angaben Galen`s in seiner Schrift über die einfachen Arzneimittel (ed. Kühn. XII. pag. 309), noch zu den im Commentar zu Hippokrates´ Schrift peri agmvn (a. a. 0. XVIII,1. p. 696). An der ersten Stelle schreibt Galen dem Wollschmutze, aus dem man das Oesypum mache, eine der Butter ähnliche peptische, aber auch eine gleichzeitig entleerende diaphoretische Wirkung zu ( peptichs estidunamews paraplhsiws tv bouturw, bsacuti de kai diaforhtikon ecei) In der zweiten Stelle sagt er, dass das Oesypum keine einfache Wirkung habe, sondern aus Gegensätzen gemischte Kraft besitze, gleichzeitig zusammenzuziehen und mässig zu erwärmen ( alla micths ex enantiwn poihihion te kai dunamewn, ths te stufoushs kai ths JerMainoushs liarws). Will man die Krankheiten, gegen welche Galen oesypumhaltige Medicamente empfiehlt, als Indicationen für Oesypum gelten lassen, so sind es vor allen Ueberanstrengungen der Muskeln, gegen welche mit Oesypum bereitete Linimente gebraucht werden. Ausserdem empfiehlt Galen Oesypum als Zusatz zu einer Mischung gegen krankhafte Gasbildung (ed. Kühn, XII, 309) und zu einer Mischung mit Seife, Wein und Oel gegen Emphysem der Haut und der Muskeln.

  Sehr verbreitet war der Gebrauch von Oesypum in der Schule der Methodiker, und hier vorwaltend in der gynaekologischen Praxis. In einem uns bei Paulus von Aegina (ed. Stephan. p. 604) erhaltenen Capitel aus A n t y l l o s über Pessi finden sich unter 7 Butterzäpfchen nicht weniger als drei oesypumhaltige, darunter ein als G e n i t u r a bezeichneter Pessus ad concipiendum. P h i l a g r i o s erfand ein als Pessus benutztes Pflaster, das seinen Namen bis ins 18. Jahrhundert trug. S o r a n o s v o n E p h e s o s und sein Uebersetzer M u s c i o (Moschion) wandten Pessarien mit Oesypum bei Menstrualstörungen und Entzündungen der Gebärmutter an, Letztere auch ad conceptionem (hier mit Adeps leaenae !).

  Neue Verwendungen von Oesypum, die allerdings zum grössten Theile aus den Effecten abgeleitet sind, welche aus der Application mit Oesypum bereiteter Pflaster resultirten, finden wir bei den Arabern. So soll z. B. Oesypum nach A v i c e n n a (Lib. II. F. 2 p. 363) Abscesse (apostemata) zur Lösung bringen, wenn es als Pfaster aufgelegt wird ; ausserdem empfiehlt er das Mittel gegen Frigidität der Leber, Nieren, Blase- und Gebärmutter und als Resolvens bei Verhärtungen der letztgenannten Organe. R h a z e s sagt im Anschlusse an Avicenna vom Oesypum : es zeitigt Verhärtungen und erweicht Abcesse, und besonders diejenigen, welche in der Blase und Gebärmutter entstehen.

Besonders reichen Zuwachs erhält die Zahl der durch. Oesypum zu curirenden Krankheiten durch S e r a p i o n. Nachdem er die von Dioskorides gegebenen Indicationen wiederholt hat, fährt er fort: "Es hilft bei giftigen Bisswunden und bei alten Bauchflüssen, sowie bei Geschwüren der Eingeweide, es hemmt den Fluss der Menstruation Und löst das geronnene Blut im Magen und in der Blase auf, und wenn es, wie oben erwähnt, in einem Tranke genommen wird, so reinigt es die Geschwüre in der Brust und in der Lunge. Auffallend erscheint auf den ersten Blick der Wiederspruch gegen Dioskorides, der zwar auch eine Einwirkung auf die Menstruation angibt, aber in umgekehrter Richtung : "es treibt die Menses und die Geburt, wenn es mit Wolle applicirt wird." Offenbar kann aber beides auf Beobachtung beruhen, wenn man erwägt, dass nicht das Wollfett, sondern das Pessarium, das mit diesem bestrichen wurde, das eigentlich Wirksame darstellte, das unter Umständen die Blutung anhalten, unter anderen vermöge des Reizes, den es auf den Uterus ausübte, auch die Geburt beschleunigen konnte.

  Die schon von den Methodikern gerühmte Wirkung auf die Conception wird von Serapion näher praecisirt. In dem oben citirten Abschnitte heist es weiter : "Und wenn es mit Butter gemischt und daraus ein Pessarium (die lateinische uebersetzung sagt "Nascale," worunter die aus Wolle gefertigten Zäpfchen insbesondere verstanden werden) nach der Reinigung der Menstrua applicirt wird, so verhindert es die Empfängniss, und wenn es im Tranke einer Frau Nach der Geburt gegeben wird, so macht es sie leicht empfänglich für die Conception."

  Als ein probates Mittel für die Conception finden wir übrigens das Oesypum auch bei abendländischen Aerzten des Mittelalters, für welche nach dem Umfange, den verschiedene mittelalterliche Autoren dem Capitel der Hemmung und Beförderung der Empfängniss gegeben haben in jener Zeit ein ganz besonderes Interesse bestanden haben muss. Zu den Autoren dieser Art gehört auch P e t r u s H i s p a n u s, der bekannte einzige zum Papste (Johann XII) promovirte Arzt, dessen in Cöln als Lehrbuch der Medicin studirenden Jugend bis 1500 dienende T h e s a u r u p a u p e r u m verschiedene keineswegs infaillible Massregeln zur Sicherung der Conception gibt, z. B. : "In ipso coitu stet mulier elevatis cruribus et in actu seminandi applicet totum cogitatum ad retinendum, et circa finem coitus attrahat virtute matricis semen quantum poterit et dormiat resupino junctis fortiter cruribus, et sic facit concipere." Unter den Mitteln zur Förderung der Conception, die drei Quartseiten füllen, findet sich bei Petrus (in der Ausgabe des Serapion von 1525. fol 256) auch ein Oesypum enthaltendes Pessarium, dessen Formel lautet:

  "Pessarium nobile et probatum secundinam et dolorem matricis tollens e t v a l d e i m p r a e g a n s. Rec. Cerebri cervi vel vituli, I s o p i h u m i d i, Butyri cocti caprini et vaccini, Amygdal., Storacis liquidae: Mellis aa drachmam unam, Olei de spica dr. 2. Terantur sicca et liquefiant humida et misceantur cum lana. Tribus diebus consumatur, d e i n d e c o e a t i p s a et procul dubio impraegnabitur !(?)."

  Wie bereits L i e b r e i c h hervorhob, hat man das Oesypum im 16. Jahrhundert auch gegen S y p h i l i s in Anwendung gezogen. Nach den Versen des F a c a s t o r o:

"Interea si membra dolor convulsa maligna
Torqueat, oesypo propera lenire dolorem
Mastichinoque oleo"

  sind es die Dolores osteocopi, welche die Anwendung indiciren. Indessen fehlt es auch nicht an Belegen für den Gebrauch gewisser aus Oesypum hergestellter Pflaster zur Resolution syphilitischer Geschwülste. So hat J o h. d e V i g o ein weiches Oesypumcerat eigener Composition, das "ruborositates ac duritias schlirotieas (d. i. scleroticas, von sklhros hart) a morbo gallico evenientes" mirabiliter resolvire und zerstöre (Jo. de Vigone Opera. Lyon, 1525).

  Im Allgemeinen aber kehrt in den medicinischen Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts in Bezug auf die Verwendung des Oesypum dasjenige wieder, was Dioskorides und Plinius darüber gemeldet hatten. "Emollit, resolvit, calefacit, dolores sedat, luxatis, contusis et similibus convenit." Diese Worte der Schroeder'schen Pharmacopoe nennen die Indicatioalen, bei denen man im Laufe von 1600 Jahren verblieb, ohne jene jemals durch Prüfung des Oesypum ohne Beimengungen erhalten zu haben, indem man nur die Erfahrung mit Pflastern, von denen Oesypum nur einen beschränkten Theil bildete, dem therapeutischen Handeln zu Grunde legte.

  Besonders häufig im 16. und 17. Jahrhundert findet sich die vermutlich auf Galen sich stützende Anwendung bei Verstauchungen und Contusionen, z. B. bei F e r n e l i u s, Methodus medendi libr.VL. c. 4 : "percussis et contusis peculiariter occurrit."

  Eine bisher nicht erwähnte Anwendung habe ich in einem sehr späten Werke, das in ausführlicher Weise über Oesypum handelt, aufgefunden, in den Boecler'schen Ausgabe der C y n o s u r a M a t er i a e m e d i c a e des Leydener Professors P a u l H e r m a n n. In dem von Boecler bearbeiteten Supplementbande findet sich p. 831 ein Artikel über Lana succida, worin von schwarzen Schafen gewonnener Wolle der Vorzug gegeben und vom Oesypum hauptsächlich nach dem Commentare des Matthiolus zum Dioskorides gehandelt wird. Am Schlusse des Artilcels findet sich die Bemerkung : "Im tumoribus faucium et angina solet adhiberi aeque ac Lena succida." Ich habe nicht genau ermitteln können, woher die Angabe stammt, vermuthe aber, dass Boecler sich auf Pomet`s Histoire des drogues stützt, in der zwar nicht die Anwendung gegen Angina als Thatsache hingestellt, aber doch die Brauchbarkeit des Mittels ad hoc betont wird. Ich lasse die Stelle hier folgen :

"Les médecins ordonnent assez souvent à ceux qui ont des fluxions de gorge de se servir de l´huile de lys et de camomille, avec la laine grasse, surtout de la noire qui se prend dans les cuisses, à la gorge des moutons, a cause de cette graisse qui s'y rencontre; c'est le sujet, que ceux qui ne pourront trouver de cette sorte de laine, pourront se servir de l'Oesipe, fondue dans les huiles de lys et de camomille."

  Die letzte ausführliche Bearbeitung der Anwendung des Oesypum in Kankheiten finde sich in der Materia medica antiqua et nova repurgata ac illustrata von J o h a n n e s R u t t y (London und Rot-erdam, 1783). Der Artikel über Oesypum recapitulirt indessen nur die Angaben der Alten und enthält nichts Eigenes.

Die mit Oesypum bereiteten Arzneiformen.

  Es ist schon oben auf die Ansicht neuerer Autoren hingewiesen, dass das nach den Griechisch-Römischen Vorschriften bereitete Oesypum grössere Mengen von Wasser, nach. V u l p i u s selbst mehr als das Liebreich'sche Lanolin enthalten habe. Mag dies der Fall gewesen sein oder nicht, so lässt sich doch mit Bestimmtheit behaupten, d a s s b e i d e r B e r e i t u n g d e r A r z n e i f o r m e n, z u d en e n O e s y p u m im A l t e r t h u m e b e n u t z t w u r d e, d e r W a s s e r g e h a l t d e s M i t t e l s g a n z i r r e l e v a n t i s t. Es gilt dies nicht bloss für die Pflaster (Cerata) und Pessariën, in welche es vorzugsweise Eingang fand, sondern auch für die eigentlichen Salben und die unter den Begriff der Salbe fallenden Pessi, die man unter seiner Mitwirkung bereitete. Es ist sofort klar, dass, wenn z. B. C e l s u s eine Mischung von Oesypum mit Rosenöl (rosa, bei späteren Schriftstellern wie Muscio oleum roseum, d. h. Olivenöl, in dem Rosenblätter eine Zeit lang macerirt wurden) oder D i o s k o r i d e s eine solche mit Gänseschmalz vorschreibt, das Wasser im Oesypum nicht in Betracht kommt, aber auch für Salbenmischungen, wo Chalcanthis (C e l s u s)oder Pompholyx (Plinius) mit Oesypum und Rosencerat vereidigt werden, trifft das Nämliche zu. Selbst in den flüssigsten der antiken Formen, den unter dem Namen A c o p a zusammengefassten Einreibungen, die man gegen die Folgen von Ueberanstrengung der Mustern gebrauchte, sind da wo Wollfett in ihre Bereitung eingeht, fette Oele und nicht Wasser das Verflüssigungsmittel. Diese Irrelevanz des Wassers in der Bereitung von Praeparaten des Oesypum geht aber durch die ganze Zeit, in der es überhaupt dazu benutzt wurde, also bis zur Spanischen Pharmakopoe von 1817, in welcher der "Oesypus praeparatus", also bestimmt ein sehr wasserreiches Wollfett, einen Bestandtheil des E m p l a s t r u m P l u m b i m u c i l a g i n e u m c o m p o s i t u m bildete. Die Vorschrift dazu befiehlt gradewegs, Harz, Wachs und Terpenthin bei mässigem Feuer zusammenzuschmelzen und das vorher mit einer Lösung von Hausenblas zusammengeriebene Oesypum so lange damit zu digeriren, bis die Flüssigkeit aufgezehrt ist ("ad humiditatis consumptionem").

Es liegt selbstverständlich nicht in meiner Absicht, hier die Recepte zu sämmtlichen Pflastermassen, Pessarien u. s. w.; zu denen seit Celsus und Dioskorides Oesypum benutzt worden ist, zu reproduciren, und ich beschränke mich auf eine kurze Uebersicht unter Hervorbebung des Wichtigsten.

Die Reihe des Oesypumpflasters beginnt mit dem schon erwähnten E n n e a p h a r m a c o n des C e l s u s, das eine Schmelze von Wachs, Talg, Honig, Fichtenharz, Myrrha, Oleum rosatum, Hirschmark (oder Kälber- oder Rindermark, wenn Hirschmark fehlte), Oesypum und Butter zu gleichen Theilen darstellt. Das Pflaster findet sich in O r i b a s i u s' Synopsis (III, 2. ed. Stephanus 35. A.) wieder, doch ist an Stelle von Myrrha Ricinusöl (Kikinon) getreten und das Mischungsverhältniss geändert, wodurch das Pflaster weicher wird und wie Oribasius angibt, nicht bloss bei äusseren Wunden, sondern auch bei Verhärtungen des Uterus und Uteringeschwüren verwendbar ist.Es ist ein Pessus geworden, dem der P e s s u s d e n o v e m s p e c i e b u s qui facit ad vulnera recentia matricis des M u s c i o (ed. Rose p. 127), der jedoch kein Ricinusöl enthält, nahesteht. Der P e s s u s e n n e a p h a r m a c u s d e s P a u l u s v o n A e g in a (ed. Stephannus p. 694) enthält kein Oesypum und stimmt mit dem E m p l a st r u m e n n e a p h a r m a c u m v o n H o r u s M e n d e s i u s bei Aëtios (ed. Steph. 772) überein, das als Eiterungs- und Erschlaffungsmittel bei Wunden, aber auch als Pessus zur localen Behandlung von Gebärmutterleiden dient.

Neben dem oesypumhaltigen Neunmittelpflaster gab es schon frühzeitig ein V i e r m i t t e l p f l a s t e r mit Wollfett. Ein solches T e t r a p h a r m a c o n erwähnt ein Zeitgenosse Galen's, der unter Marcus Aurelius lebende Rhetor A r i s t i d e s, der auf einer Reise in Griechenland erkrankte und in einer Art Naturheilanstalt unter anderem mit einem Magenpflaster behandelt wurde, von dessen vier Bestandtheilen er nur zwei, Oesypum und Pech, verräth (vgl. die Ausgabe von Dindorf p. 495).


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