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Kommentartext zur Monographie
Adeps lanae anhydricum des DAB IV
(herausgegeben 1901).

Geschichtliches. Unter dem Namen "Oesypus" wird von griechischen und römischen Schriftstellern eine fettige Substanz erwähnt, welche als Arzneimittel (Verbandsalbe) und kosmetisches Mittel im Gebrauche war und beim Auskochen der Schafwolle mit Wasser durch Abschöpfen der aufschwimmenden öligen Antheile gewonnen wurde. Diese Mittel ging später als "Oesypus" und im gereinigten Zusande als Oesypus praeparatus " in die Pharmakopöen über, diente z. B. zur Bereitung eines Unguentum resumptivum, gerieth aber allmählich in Vergessenheit. Gegen das Jahr 1886 empfahl Liebreich das von Verunreinigungen bzw. Beimengungen befreite Wollfett unter dem Namen Lanolin als Salbengrundlage.

Allgemeines. Das Wollfett ist seiner chemischen Zusammensetzung nach kein eigentliches Fett, d. h. kein Glycerinester der Fettsäuren, sondern es ist ein Gemenge von Estern verschiedener Säuren mit verschieden Alkoholen, z.B. Cholesterin, unter denen jedoch Glycerin nich vertreten ist, s. w. unten. Man bezeichnet es daher als "Cholesterinfett"; Seinen physikalischen Eigenschaften nach nimmt es eine Mittelstellung ein zwischen den eigentlichen Fetten und den Wachsarten. Diese Fettsubstanz ist in zahlreichen Keratingeweben und diesen nahe stehenden Organen nachgewiesen worden, z.B. in menschlicher Haut, menschlichen Haaren, vernix caseosa (d. i. Hautschmiere der Neugeborenen), Fischbein, Hornspähnen, Elsternschnäbeln, Federn von Gänsen, Hühnern, Puten, Tauben, Pfauentauben, Stacheln vom Igel und Stachelschwein, Huf und Kastanien vom Pferd, Haaren vom Faulthier u. s. w. Am reichlichsten aber ist sie enthalten in den Woll-Haaren der Schafe, weshalb auch diese zur Gewinnung des Wollfettes benutzt werden.

Darstellung. Die Rohwolle enthält unmittelbar nach der Schafschur erhebliche Mengen von Fettsubstanzen, bisweilen so viel, dass schon beim Drücken zwischen den Fingern fettige Antheile austreten. Vor ihrer weiteren Verarbeitung muss die Wolle von diesen fettigen Substanzen der Hauptsache nach befreit werden. Dies geschieht gegenwärtig in besonderen Etablissements, welche " Wollwäschereien" genannt werden. In diesen wird die Rohwolle mit Lösungen von Seife und Soda gewaschen, bis der gewünschte Grad der Entfettung erzielt ist. Die hierbei abfallenden Waschwässer heissen "Wollwaschwässer", sie enthalten die Cholesterinfette in feiner, emulsionsartiger Vertheilung. Aus diesen Wollwaschwässern scheidet sich nun nach längerem Stehen freiwillig, rascher beim Ansäuern, eine fettige Substanz aus, das rohe Wollfett, eine dunkelgefärbte, ekelhaft riechende, fettige Masse. Diese enthält neben dem Cholesterinfetten noch Glycerinfette und freie Fettsäuren, deren Trennung Schwierigkeiten verursachte. Sobald man nämlich mit Alkalien an das rohe Wollfett heranging, entstanden emulsionsartige Flüssigkeiten, aus denen die Cholesterinfette unabscheidbar schienen. Schliesslich wurde indessen gerade die Fähigkeit der Emulsionsbildung zur Reindarstellung verwerthet:

Das rohe Wollfett wird mit Hilfe von wässrigen Aetzalkalien oder kohlensauren Alkalien emulgirt, d. h. in eine der Kuhmilch ähnliche Flüssigkeit verwandelt. Diese Emulsion oder Wollfettmilch" wird nun einer Centrifugirung unterworfen. Und geradeso, wie die Milch beim Centrifugirungsprocess sich in eine Rahmschicht und in Magermilch scheidet, so trennt sich auch die Wollfettemulsion dabei in zwei Schichten, von denen die untere die verunreinigenden Fettsäuren in Form einer Seifenlösung, die obere dagegen die Cholesterinfette enthält. - Beide werden kontinuirlich abgezogen, und aus dem abfliessenden Rahm wird hierauf mit kalkhaltigem Wasser oder besser mit Calciumchlorid das Wollfett gefällt. Der Vorgang ist bei dieser Fällung ganz ähnlich wie bei der Zersetzung der Wollwaschwässer mit Säure, wie dort durch Zersetzung der Seife durch Säuren, wird hier durch Bildung der unlöslichen Kalkseife der Emulsionszustand aufgehoben und die Abscheidung des Wollfettes veranlasst.

Das so enthaltene Wollfett ist mit unlöslicher Kalkseife verunreinigt und stellt noch ein verhältnissmässig rohes Wollfett dar. Durch mehrfaches Umschmelzen und Auswaschen wird daraus ein gereinigtes Woll - Fett erhalten, das durch Einkneten von Wasser in wasserhaltiges Wollfett übergeführt wird, welches letztere anfangs als "centrifugirtes Lanolin" in den Handel gebracht wurde. Aus diesem centrifugirten Lanolin, das noch stark gelblich gefärbt ist und noch etwas riecht, resulitirt das fast weisse und absolut geruchlose Wollfett. Die Darstellung dieses Körpers ist eine ziemlich umständliche.

Das centrifugirte Wollfett wird mit einem geringen Procentgehalt Marmorkalk zusammengeschmolzen und die völlig vom Wasser befreite Masse einer Extraktion mit Aceton unterworfen. Aceton löst das Cholesterinfett auf, während es die Kalkseife ungelöst zurücklässt.

Durch Abdestilliren des Acetons wird das Fett in reinem Zusand erhalten und darauf durch Einkneten von etwa 25 Proc. Wasser, das in Maschinen vorgenommen wird, in Lanolin übergeführt.

Durch Auflösung des wasserfreien Wollfettes in Amylalkohol oder einem anderen geeigneten Lösungsmittel und Abkühlen der Lösung kann man höher schmelzende wachsartige Substanzen auscheiden und ein niedriger schmelzendes Wollfett gewinnen.

Ein andres Verfahren zur Gewinnung von reinem Wollfett beruht auf einem Schlämmprocess: Das von den Waschmaschinen ablaufende Waschwasser wird zunächst von Thon, Sand und Wollfasern befreit und dann in grossen Behältern mit saurer Calciumchloridlösung gefällt. Hierdurch erfolgt Asscheidung des sog. Suinters, eines Gemenges von Schmutz mit Erdalkaliseifen und niedriger und höher schmelzenden Wollfetten. Dieser Suinter wird nun der Schlämmung unterworfen, wobei das specifisch leichtere Wollfett vom Wasser mitgeführt wird. Aus dem erhaltenen Schlämmwasser wird nun das Wollfett extrahirt und zwar in einem Apparate, in dem es von oben nach unten passirt, während das Extraktionsmittel (Benzin oder Aether) in entgegengesetzter Richtung aufsteigt. Das Extraktionsmittel nimmt das Wollfett auf und hinterlässt es beim Asdestilliren.

Nomenklatur. Der Name "Lanolin" wurde ursprünglich lediglich für das wasserhaltige Wollfett gebraucht, welches zunächst überhaupt allein im Handel war. Erst später gelangte auch das wasserfreie Wollfett an den Markt, und seitdem wird der Name Lanolin gelegentlich auch für das wasserfreie Wollfett angewendet. Dadurch ist eine ziemliche Verwirrung entstanden, welcher nunmehr durch die ed. IV ein Ende gemacht werden wird.

Eigenschaften. Hellgelbe, salbenartige Masse von sehr schwachem (bockigem) Geruche, welche bei etwa 400 zu einer fast klaren Flüssigkeit schmilzt. Der Schmelzpunkt des Wollfettes ist übrigens nicht ganz gleichgültig. Nach den heutigen Anschauungen ist ein niedriger schmelzendes Wollfett als Salbengrundlage besser geeignet als ein höher schmelzendes. Am zweckmässigsten dürfte ein solches vom Schmelz- punkt 36-400 Sein. Es ist in Chloroform, Aether, Aceton, Benzol, Petroläther, Schwefelkohlenstoff leicht löslich, in Wasser so gut wie unlöslich, in Alkohol schwerlöslich. 1 Th. löst sich in etwa 75 Th. siedendem Alkohol von 90 Proc.

Die charakteristischen Eigensehaften der Wollfetts, die auch dessen arzneiliche Verwendung bedingen, sind folgende: 1) Es wird von wässeriger Kalilauge kaum verseift, die Verseifung gelingt erst - und auch dann noch schwierig - durch alkoholische Kalilauge, am besten unter Druck. Damit steht im Zusammenhange, dass das Wollfett auch wenig Neigung zum Ranzigwerden hat, wodurch es sich von den Glycerinfetten unterscheidet. 2) Es ist im Stande, die 2-5 fache Menge seines Gewichtes an Wasser anfzunehmen und damit eine Masse zu geben, welche immer noch Salbenkonsistenz hat. 3) Es wird von der thierischen Haut resorbirt und vermittelt seinerseits die Resorption der ihm einverleiben Arzneistoffe. 4) Es haftet auf Schleimhäuten und kann deshalb zur Applikation von Arzneimitteln auf Schleimhäuten verwendet werden.

Seiner chemischen Zusammensetzung nach besteht das Wollfett aus den Estern verschiedener Säuren mit mehreren Alkoholen. Von Säuren sind bisher nachgewiesen worden Lanocerinsäure C30H60O4, Lanopalminsäure C16H32O3, Myristinsäure C14H28O2, Carnaubasäure C24H48O2, von Alkoholen Cholesterin C27H45 · OH, Isocholesterin C26H43 · OH, Cerylalkohol C27H55· OH, Carnaubylalkohol C24H50O, Lanolinalkohol C12H24O, ohne dass damit die Zusammensetzung des Wollfettes als erschöpft angesehen werden könnte.

Der Nachweis des Wollfettes wird durch zwei Reaktionen geführt, welche dem Cholesterin zukommen, also anzeigen, dass ein Cholesterinfett vorliegt.


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